7. Workshop "Archive von unten" 
Berlin, 20. und 21. Juni 2013
Im Archiv Grünes Gedächtnis der Heinrich-Böll-Stiftung in Berlin
Inhalt
- AG Persönlichkeitsrecht bei elektronischen Findmitteln
- AG Zeitzeuginnen- / Zeitzeugeninterviews im Archiv
- AG Webarchivierung
- AG Archivpädagogik
- AG Digitalisierung
- Input: Reinhart Schwarz - Persönlichkeitsrecht bei elektronischen Findmitteln
- Input: Bettina Just - Übersicht über die Zeitzeug_inneninterviews bei DOMiD e.V.
AG Persönlichkeitsrecht bei elektronischen Findmitteln
- Juni, 13:30 - 15:30 Uhr / Input: Reinhart Schwarz (Hamburger Institut für Sozialforschung), Moderation: Dagmar Nöldge (FFBIZ), Protokoll: Reinhart Schwarz und Dagmar Nöldge
Dagmar Nöldge berichtet, dass es keine verbindlichen archivrechtlichen Regeln für die Veröffentlichung von im Archiv erstellten Findmitteln in Online-Kataloge gibt und verweist auf die 2007 von der Arbeitsgruppe "Archive und Recht" erstellte Empfehlung zur "Bereitstellung elektronischer Findmittel in öffentlich zugänglichen Netzen" auf der Homepage des Bundesarchivs. Reinhart Schwarz betont die Bedeutung der Sichtbarkeit von Findmitteln in Online-Katalogen und die Aufgabe der Archive als digitale Informationsinfrastrukturen. An Hand von ausgewählten Bespielen aus dem HIS-Archiv zeigt er unterschiedliche Grade der Online-Stellung von Personeninformationen im Internet, von der reduzierten Darstellung bis hin zur Veröffentlichung von digitalisierten Originalquellen. Als Beispiele für sensible Daten werden u. a. Personennamen in Zusammenhang mit der Mitgliedschaft in Organisationen und Parteien genannt und solche, die in Mandantenakten oder privater Korrespondenz mit lebenden Personen auftauchen.
Die an das Input von Reinhart Schwarz anschließende Diskussion wird kontrovers geführt und macht den unterschiedlichen Umgang der Bewegungsarchive mit der Online-Stellung von Erschließungsinformationen deutlich. Im Gegensatz zum HIS-Archiv veröffentlichen einige Archive nur Bestandsbeschreibungen, andere stellen auch keine Personenindexe bzw. -listen für die Online-Recherche zur Verfügung. Die Zurückhaltung bei der Freigabe im Umgang mit personenbezogenen Daten wird u.a. mit dem Schutz des Vertrauensverhältnisses zwischen den Nachlass- bzw. Sammlungsgeber_innen und dem Archiv begründet. Auf der anderen Seite besteht die Gefahr, als Archiv nicht sichtbar zu sein, wenn Inhalte im Netz nicht recherchierbar sind. In diesem Zusammenhang wird auf die Bedeutung der Erstellung von archivinternen Regeln für die Veröffentlichung von Erschließungsinformationen hingewiesen, die auch auf der Basis der politisch-inhaltlichen Kompetenz des Archivs bzw. seiner Mitarbeiter_innen erfolgen müssen und möglichst in Form eines Handbuchs für die Nachfolger_innen hinterlegt werden sollten. Auch eine vorherige diesbezügliche Absprache mit zukünftigen Nachlassgeber_innen, die sich im Schenkungs- oder Depositalvertrag niederschlägt, erscheint sinnvoll. Wichtig ist auch ein Hinweis über die Urheberschaft der Archive in Bezug auf die im Internet bereitgestellten Findmittel, wie z.B. abstracts. In der Diskussion taucht auch die Frage nach den technischen Möglichkeiten der unterschiedlichen Datenbanken auf, Findmittel online zu stellen und dabei personenbezogene Daten zu filtern. Eine Möglichkeit ist die Anpassung der Datenbank durch eine reduzierte Darstellung der Inhalte für die jeweiligen Zielgruppen, wie z. B. Mitarbeiter_innen und Nutzer_innen im Lesesaal oder im Internet. Ein anderer Lösungsansatz besteht in der Sperrung von Datenfeldern mit personenbezogenen Informationen für die Veröffentlichung in den Online-Katalogen. All diese Vorgehensweisen ziehen zeitaufwendige Nacharbeiten in den jeweiligen Archivdatenbanken nach sich.
AG Zeitzeuginnen- / Zeitzeugeninterviews im Archiv
- Juni, 13:30 - 15:30 Uhr / Input 1: Bettina Just (DOMiD), Input 2: Jörg Petersen (Geschichtswerkstatt Eimsbüttel), Moderation: Anne Vechtel (Archiv Grünes Gedächtnis), Protokoll: Eva Sander (Archiv Grünes Gedächtnis)
In der AG wurde in zwei Beiträgen und anschließender Diskussion auf folgende Themen eingegangen:
- Rahmenbedingungen und Interviews selbst: Wer sind die Interviewten? Wie wird interviewt?
- Archivierung, Erschließung, Lagerung
- Wie erfolgt die Nutzung?
DOMiD - Dokumentationszentrum und Museum über die Migration in Deutschland (Bettina Just)
Bei den Interviews handelt es sich vor allem um "ergänzende Quellen" im Rahmen von Ausstellungen, z.B. das Projekt "Geteilte Heimat". Im Rahmen des Projektes wurden im Jahr 2011 Audiointerviews geführt, die digital vorliegen. Digitale Aufnahmen liegen ebenso wie Transkripte auf eigenen Servern, Tonkassetten im Magazin. Die Zeitzeug_innen sind meist Arbeitsmigrant_innen, die ihre Lebensgeschichten erzählen, aber auch Mitarbeiter_innen von Behörden, Lehrer_innen, Freund_innen und Arbeitskolleg_innen werden befragt. Viele Interviews liegen in den jeweiligen Muttersprachen der Zeitzeug_innen vor und können nur mit entsprechenden Kenntnissen inhaltlich erschlossen werden. Ein Konzept zur Langzeiterhaltung der Mitschnitte gibt es bisher nicht. Die Interviews sind mit Einverständnis der Zeitzeug_innen in einer Faust-Datenbank erfasst und durchsuchbar. Sie sind "grob erschlossen", z.B. durch eine Verschlagwortung der Kernthemen. Die Nutzung ist vor Ort in der Bibliothek möglich.
Geschichtswerkstatt Eimsbüttel (Jörg Petersen)
Die Geschichtswerkstatt Eimsbüttel führt Interviews mit Einwohner_innen des Stadtteils. Unterschieden wird zwischen vier verschiedenen Formen von Interviews:
- anlassbezogene Interviews: informelle, nicht aufgezeichnete Gespräche, die bestimmte Sachverhalte/Fotos etc. dokumentieren
- individuelle Interviews: Lebensgeschichten einzelner Menschen, z.B. jüdische Bewohner_innen des Viertels, Arbeiter_innenbewegung
- gruppenbezogene Interviews: Gespräche zu einem bestimmten Thema, im Rahmen des "Klöntreffs", zu dem es kollektive Erfahrungen gibt
- projektbezogene Interviews: z.B. für bestimmte Ausstellungen oder Publikationen
Die Zeitzeug_innengespräche liegen als Tonkassetten, digitale Aufnahmen und gedruckte Transkriptionen vor. Die Erschließung erfolgt mit Citavi, einen Thesaurus gibt es bisher nicht.
Diskussion
Es wurde die unterschiedliche Zielsetzung der Interviews diskutiert. Manche Archive führen Interviews sehr viel zielgerichteter als andere. Auch die Frage, wie wichtig Maßstäbe, Standards und Wissenschaftlichkeit sind, wurde aufgeworfen. Einigkeit herrschte darüber, dass Interviews nur als Unterstützung einer "Wahrheit" dienen können. Die Bedeutung von Interviews als Quellen hat sich in der Geschichtswissenschaft geändert. Heute sind sie als Teil empathischer Forschung anerkannt, als Version erzählter "Wirklichkeit" bedeutsam. Das Schwule Museum besitzt auch Interviews, die im Rahmen der Aufarbeitung der jeweiligen Nachlässe bearbeitet werden. Die Interviews des Archivs Aktiv sind nicht elektronisch erschlossen, es gibt aber Bestandsbeschreibungen, in denen die Gespräche erwähnt werden.
AG Webarchivierung
- Juni, 09:30 - 11:15 Uhr / Input 1: Roman Klarfeld (FFBIZ), Input 2: Eva Sander (Archiv Grünes Gedächtnis), Moderation: Roman Klarfeld, Protokoll: Eva Danninger (Die Infonauten, Archiv³)
Input 1:
Roman Klarfeld (FFBIZ) legte in seinem Input dar, dass die Überlebensdauer von Webseiten kurz ist, und dass sich bei der Archivierung verschiedene Fragefelder eröffnen: Wer ist zuständig? Was ist überlieferungswürdig? Welche technische Möglichkeiten gibt es und welche sind jeweils passend? Desweiteren wird es immer neue Fragen geben, wie z.B. zum Urheberrecht, zu Zugriffsrechten und auch zum Umgang mit immer neuen Technologien.
Input 2:
Eva Sander (Archiv Grünes Gedächtnis) erläuterte in ihrem Input, wie im AGG die Webseiten der Grünen archiviert werden. Auch hier wurde deutlich, dass die Archivierung zeitaufwendig ist, viel Speicherplatz erfordert und dass die Spiegelungen aufgrund von Urheberrechten nicht online für die Nutzer_innen zur Verfügung gestellt werden können.
In der Diskussion wurden sowohl technische als auch inhaltliche Fragen debattiert. Es wurden viele der Fragen aus Romans Input wieder aufgegriffen: Wer ist zuständig? Wird die Deutsche Nationalbibliothek ihren Auftrag tatsächlich erfüllen, alle deutschen Webseiten zu archivieren? Was ist überlieferungswürdig? Welche Kriterien legen wir an? Wie tief wird erschlossen? Bleibt die gespiegelte Seite dynamisch - oder wird sie als PDF abgelegt, bei dem die weiterführenden Links verlorengehen? Wie erschließen wir die Seiten? Ist eine Volltextsuche möglich? Ist es wichtig, die Seite in ihrer aktiven Erscheinungsform zu erhalten - oder nur den Text? Wir konnten feststellen, dass für all diese Fragen keine standardisierte Lösung in Sicht ist. Aber der positive Beschluss war: Einige haben mit der Archivierung begonnen, auch wenn bei den Bewegungsarchiven bisher wenig passiert ist. Wir haben aber in diesem Workshop die Debatte und den Austausch eröffnet und wollen diesen beim nächsten Workshop weiterführen, um Lösungen zu finden. Vielleicht können wir eine Arbeitsgruppe bilden, die daran arbeitet, Wege und Möglichkeiten zu finden, die obigen Fragen zu beantworten und anderen Archiven zu helfen, diese Aufgabe anzugehen.
AG Archivpädagogik
- Juni, 09:30 - 11:15 Uhr / Input: Birgit Rehse (FU Universitätsarchiv mit APO Archiv, Berlin), Moderation und Protokoll: Jens Dobler (Schwules Museum, Berlin)
Was ist Archivpädagogik? Sind archivpädagogische Maßnahmen und Programme auch für die Archive von unten realistisch und sinnvoll? Wer hat welche Erfahrungen damit gemacht?
Birgit Rehse vom FU Universitäts-/APO Archiv, Berlin hielt einen sehr eindrücklichen Vortrag über die archivpädagogische Arbeit ihres Archivs. Als archivpädagogische Maßnahmen zählen Ausstellungen im Archiv, Führungen, Veranstaltungen wie zum Beispiel die Lange Nacht der Wissenschaften, Publikationen, Seminare und Lesungen.
Als spezielles Programm für Kinder wird im Rahmen der KinderUni die "Schatzsuche im Archiv" angeboten, ein Programm, das vier Stunden umfasst.
Hier die Stichworte aus Birgits Input zu dieser Aktion:
Beispiel KinderUni: Auf Schatzsuche im Archiv
Konzept: 1 x jährlich Angebot der Uni an Berliner/Brandenburger Grundschulen; Umfang: Besuch von einer gesamten Klasse (ca. 25 Schüler_innen); Angebot ist variabel: kurzer Vortrag, Experiment, Mitmachkurs, Führung.
Unser Thema: Auf Schatzsuche im Archiv - Zielgruppe: hier 5./6. Klasse, da hier Geschichte als neues Unterrichtsfach; - zeitlicher Rahmen: 4 Stunden (9-13h); - personeller Einsatz: so viele Personen wie Gruppen (mind. 3, besser 5), denn Recherche sollte in Kleingruppen geschehen.
Frage-Antwort-Spiel: Was ist eine Universutät? - Was kann man dort studieren? - Einige Informationen zur FU (Gründungsgeschichte, Zahlen).
Vortrag mit Fragen: Was ist ein Archiv? - Was sind Akten? Warum werden sie gesammelt? - Archivlandschaft in Deutschland. Wo steht unser Archiv? - Was sammeln Archive? Was sammelt das Universitätsarchiv? - Bewertung auf Archivwürdigkeit. Dauerhafte Aufbewahrung. - Erschließung: Warum? Wie? - Zweck der Überlieferung. Wer sind die Archivnutzer_innen?
Schatzsuche / Interaktive Recherche - Sollte in Kleingruppen geschehen. Gruppenaufteilung am besten bei Eintritt: bunte Namensschilder machen (Farben nach Anzahl der Gruppen), dabei Freund_innen bewusst auseinander ziehen (= verspricht ein höheres Maß an Konzentration) - Themen: z.B. Universitätsgründung, Gebäude der Universität, Studentenbewegung, internationale Beziehungen - je Gruppe Arbeitsauftrag genau erklären (Kinder den Zettel vortragen lassen und erläutern) - fiktive Anfrage: z.B. Nutzer_in (Journalist_innen/Wissenschaftler_innen versch. Fachrichtungen) arbeitet zu einem der Themen und sucht Dokumente dazu; findet folgende Archivalien: 3 versch. Archivalien zum Thema; Beispiel: Journalist_in sucht Studentenakte von Rudi Dutschke, Rede im O-Ton, Plakat mit Konterfei - Auswahl der Archivalien:
- auf Vielfalt der Medien in allen Gruppen achten (Akten, Fotos, Plakate, Tonband mit Digitalisat, Film, Karten/Pläne, Musealien);
- auf Anschaulichkeit und Kindgerechtes achten (auch 3-D-Objekte, keine Bleiwüsten, z.B. skurrile Gastgeschenke aus aller Welt als Beleg für internationale Beziehungen, z.B. gut lesbare Handschriften wie z.B. Dutschkes Lebenslauf).
- Reihenfolge der Archivalien in den Gruppen so gestalten, dass sich nicht verschiedene Gruppen in einem Raum aufhalten. - Suche sollte selbständig geschehen können: evtl. auf Auftragszettel Hinweise auf Raumnummern und Regalsystematik notieren, evtl. Fußstapfen in jeweiliger Farbe kleben, evtl. am Archivkarton Hinweis in jeweiliger Gruppenfarbe setzen; von den Archivalien evtl. Reproduktionen anfertigen (Kinderfinger) - Bei der interaktiven Recherche Hinweis auf: Bestandserhaltung; historischen Kontext der Archivalien; Besonderheit des Mediums (Tonband, Digitalisat), vorsichtiger Umgang mit Medien (evtl. Handschuhe) - An jeder Station Kinder direkt benennen, die Archivalien im Plenum mündlich vorstellen sollen und solche, die das Archival hoch halten.
Ergebnissicherung im Plenum - Ziel: alle Gruppen auf einen gemeinsamen Stand bringen (so: Befassen mit verschiedenen Medien) und eine allgemeine Wissensgrundlage erarbeiten. - Vorstellen der gefundenen Archivalien durch Gruppe (nicht hist. Kontext im Detail, sondern primär z.B. zum Thema Medienvielfalt und Bestandserhaltung), ergänzt durch Nachfragen der Gruppenleiter bzw. weitere Erläuterungen - Archivalien durch Kinder präsentieren lassen und parallel Dokumente, Fotos, O-Töne etc. via Beamer an die Wand werfen, damit alle es erkennen können.
Filmvorführung - Film wurde von einer Gruppe im Rahmen der interaktiven Recherche "gefunden"; Medium wird von Gruppe vorgestellt, Ergänzung durch Archivpersonal (hist. Kontext, Kurzzusammenfassung des Inhalts, worauf zu achten ist: was ist bei einem alten Film anders? /z.B. s/w, Rauschen, schlechte Qualität etc.) - Film "Eine freie Universität" von 1949 (15 min) zur Universitätsgründung.
Fotoshooting: Wer gibt den/die pfiffigste/n Professor/in ab? - Kinder werden in historischen Talaren fotografieren (diese wurden ebenfalls "gefunden"); Fotos werden gleich gebrannt und mitgenommen. - Personal für Fotos, für Dokumentation, fürs Einkleiden, evtl. Aufsicht einrechnen. - Wenn Fotos veröffentlicht werden sollen, benötigt man unbedingt die Genehmigung der Eltern, d.h. Formular im Vorfeld (!) an Lehrer_in schicken und um Verteilung bitten. Lehrer_in bringt die Formulare mit Unterschriften der Eltern mit. Beim Fotografieren müssen Namen in Datei aufgenommen werden.
Wichtige Hinweise zur Organisation - Pausen (zweimal 10 min, 1 x 20 min) - Richtige Zeitplanung: es dauert, bis alle Jacken und Taschen abgegeben haben und sitzen; still und aufnahmebereit sind! Redebeiträge kurz halten (Konzentrationsspanne 15 min), einzelne Parts zeitlich berechnen; sonst: Feedback kommt sofort (Quatschen, unkonzentriert) - Auf einfache Sprache achten (kurze Sätze, keine Fachtermini)! - Kleine Gruppen bilden, damit verhaltensauffällige Kinder eingefangen werden können.
Diese Ausführungen waren so spannend, dass wir am liebsten selbst mitmachen würden. Es wurde auch gleich angeregt, dieses Programm für Studierende umzuarbeiten.
Die anderen Archive berichteten im Anschluss an ihre archivpädagogischen Maßnahmen: das Archiv Grünes Gedächtnis führt regelmäßig Abgeordnetengästegruppen durch das Archiv. Das FFBIZ bietet ebenfalls Archivführungen an. Wien bietet Archivspaziergänge an, Jena hat eine eigene Stelle für Bildungsarbeit und hat einen Archivkoffer entwickelt, der bei Schulklassen zum Einsatz kommt. Hamburg gibt zu bedenken, dass es bei einem Papierarchiv schwierig ist, eine erfahrbare Ebene zu schaffen. Ein Film erleichtere den Einstieg.
Der WS war sehr intensiv und spannend. Es zeigte sich, dass doch fast alle archivpädagogische Maßnahmen anbieten, die Ausführungen von Birgit machten uns klar, wie viel Spaß (aber auch Arbeit) das machen kann.
AG Digitalisierung
- Juni, 11:15 - 13:00 Uhr / Input: Marius Zierold (i.d.a.-Metadatenprojekt), Input 2: Eva Danninger (Die Infonauten, Archiv³) und Michael Götze, Moderation: Eva Danninger, Protokoll: Roman Klarfeld (FFBIZ e.V.)
Input 1: Marius Zierold (i.d.a. - Metadatenprojekt)
Der Dachverband der deutschsprachigen Frauen-, Lesbenbibliotheken und Archiven konnte eine Finanzierung über das Bundesministerium für Frauen einwerben, um ein Metadatenprojekt zu realisieren. Dabei soll im ersten Jahr die gemeinsame Homepage neu gestaltet werden und eine Kommunikationsplattform eingerichtet werden. Im zweiten Jahr wird an dem eigentlichen Metadatenprojekt gearbeitet. Damit wird die Möglichkeit geschaffen in allen 40 Einrichtungen über eine Suchmaske zu suchen.
Input 2: Eva Danninger (Die Infonauten, Archiv³) und Michael Götze
Die AG Digitalisierung arbeitet an einem Konzept zu einem zentralen Zugang zu digitalen Inhalten der Archive von unten. Damit sollen Inhalte besser recherchierbar sein, die Einbindung in größere Portale erleichtert werden und die Webseite der Bewegungsarchive aufgewertet werden. Für Nutzer_innen hätte es den Vorteil, in allen Archiven gleichzeitig recherchieren zu können. Für die Archive liegen die Vorteile in der Möglichkeit ihre eigenen Bestände zu präsentieren und in Richtung Langzeitarchivierung zu gehen. Die AG hat begonnen mit DSpace zu arbeiten, da es sich um ein Open-Source-System handelt, kaum Kosten verursacht, der Technikaufwand gering ist, aber das System trotzdem professionell ist.
Im Anschluss an die Inputs wurde das weitere Vorgehen diskutiert. Dabei tauchte die Frage auf, welche Dokumente präsentiert werden sollen. Der Vorschlag war, dass z.B. alle Archive eine Auswahl an Plakaten online stellen, damit ein roter Faden vorhanden ist, der auch für die Nutzer_innen nachvollziehbar ist. Eine gesamte Darstellung der Bestände ist nicht möglich, aber auch nicht notwendig, da es um die Repräsentation geht. Wichtig ist, dass man den Nutzer_innen erklärt, dass es sich nur um eine Auswahl handelt, sie aber gleichzeitig einen Einblick bekommen, zu welchen Themen in welchen Archiven Material zu finden ist.
Die Präsentation ist online abrufbar.
Input: Reinhart Schwarz - Persönlichkeitsrecht bei elektronischen Findmitteln
Zu Beginn seien noch einmal die praktischen Fragen aufgerufen, mit denen wir uns im Archivalltag auseinandersetzen müssen und die deshalb auch als abzuarbeitende Punkte im Tagungsprogramm stehen:
- Was ist bei Online-Katalogen zu beachten?
- Dürfen Findmittel von gesperrten Beständen veröffentlicht werden?
- Welche rechtlichen Probleme tauchen bei personenbezogenen Daten in Nachlässen auf?
- Können Korrespondenzpartner/-innen von Nachlassgeber/-innen genannt werden
- Wie sieht es mit den Persönlichkeitsrechten bei Fotografien aus?
Wir haben es dabei mit zwei Problemfeldern zu tun. Da ist zum einen das weite Feld der Persönlichkeitsrechte, zu denen ich auch das Urheberrecht sowie das Recht am eigenen Bild zählt. Und da ist zum anderen die grenzenlose Welt des WorldWideWebs, in dem wir unsere elektronischen Findmittel oder sogar unsere digitalisierten Quellen (-sammlungen oder -bestände) präsentieren bzw. präsentieren wollen.
Es ist noch gar nicht so lange her, da stellten sich die Fragen, mit denen wir uns heute beschäftigen, entweder gar nicht oder in einem sehr viel kleineren Maßstab. Bei der normalen Benutzung im Archiv regelte - und regelt noch heute - die Benutzungsordnung oder eine Benutzungsabsprache den rechtskonformen Umgang mit den Quellen. Ein unterschriebener Benutzungsantrag verpflichtet die Nutzer/-innen auf diese Ordnung oder Absprache, aber auch auf die gesetzlichen Rahmenbedingungen, zu denen ich gleich noch komme. Mit der Unterschrift hat sich das Archiv weitgehend von der unmittelbaren Haftung für "Schäden an der Persönlichkeit", die aus der Nutzung des Archivgutes entstehen können, befreit.
Besondere Beachtung gebührt in diesem Zusammenhang den Findbüchern bzw. den Findmitteln des Archivs. Dabei handelt es sich praktisch um Veröffentlichungen über Details aus den Beständen des Archivs, an die bereits die gleichen Maßstäbe anzulegen sind wie die, die dem Nutzer / der Nutzerin seitens des Archivs auferlegt werden. Das Risiko eines Missbrauchs von Personendaten und damit der Verletzung von Persönlichkeitsrechten ist so lange noch begrenzbar, wie die Findbücher bzw. Findmittel den Lesesaal nicht verlassen und deren Kenntnisnahme unter die Benutzungsordnung fällt. Gleiches gilt auch für die bereitgestellte Datenbank-Recherche vor Ort.
Möchte der Nutzer / die Nutzerin allerdings mit den Quellen mehr machen, als sie nur wissenschaftlich auszuwerten, sondern die Quellen oder Teile daraus auch veröffentlichen, so steht das Archiv wieder vor neuen Fragen und Entscheidungen im Kontext des Nutzungsrechts von Archivgut. Genauso überschreitet das Archiv bei der Online-Präsentation seiner Bestände diesen geschützten Bereich.
Wir betreten mit der Internet-Präsentation von Findmitteln theoretisch und praktisch ein weiteres Rechtsfeld: das Urheberrecht, speziell im Internet. Daraus leiten sich Verwertungsrechte des Archivs ab. Der Begriff der Verwertung ist ein Schlüsselbegriff des Urheberrechts. Diese Thematik soll heute nicht behandelt werden.
Mit unserem Thema eng verbunden ist das sich beständig und weiter dramatisch verändernde Verhältnis zwischen Öffentlichkeit und Privatheit. Das einstmals politisch provozierende Statement aus den bewegten 60er Jahren "Das Private ist politisch - und damit öffentlich", entbehrt heute jeden kritischen Gehalts. Social Media, Open Access und Digitalisierungs- Initiativen setzen neue Maßstäbe für das "Persönliche" sowie für die "Verwertung von geistigem Eigentum" und stellen nun eine "provozierende" Herausforderung für die aktuelle Archivarbeit dar.
Juristischer Rahmen
Unser Alltag verlangt ein gewisses Maß an Kenntnissen von Gesetzen und Verordnungen, sowie – insbesondere – deren rechtssichere Anwendung und Auslegung. Das gelingt uns allem Anschein nach sehr gut, mit ernsthaften Rechtstreitigkeiten hatte bisher noch keiner zu tun.
Ich nenne einige Rechtsgebiete, die von grundsätzlicher Bedeutung sind:
- Bundes- und Landesarchivgesetze wenn es um staatliche Archive geht - sie handeln im gesetzlichen Auftrag
- Archivsatzungen oder Benutzungsordnungen wenn es um nichtstaatliche Archivträger geht (zumeist betrieben als Verein oder Stiftung) - sie handeln im eigenen Auftrag
- Bundes- und Landesdatenschutzgesetze (BDSG / LDSG)
- Recht auf informationelle Selbstbestimmung
- Umgang mit personenbezogenen Daten durch den Staat und Dritte
- betrifft nur lebende Personen
- Persönlichkeitsrechte, die auch über den Tod (vertr. durch Erben) Wirkung behalten
- Recht am eigenen Namen, § 12 BGB
- Schutz der persönlichen Ehre, § 185 ff. StGB
- Urheberrechtsgesetz (UrhG): Eigentum an geistiger Schöpfung
- nicht übertragbares Recht, jedoch vererbbar
- Verwertungsrechte liegen beim Urheber
- Recht der Veröffentlichung (§ 12 UrhG)
- der Vervielfältigung (§ 16 UrhG)
- der öffentlichen Zugänglichmachung (§ 19 UrhG)
- Schranken des Urheberrechts zum Nutzen der Allgemeinheit: Zitatrecht und Privatkopie, Sondernutzung im Bildungssektor sowie in Bibliothek und Archiv
- Das Urheberrecht erlischt 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers
- Bei anonymen oder verwaisten Werken 70 Jahre nach Entstehung oder Erstveröffentlichung
- Vertragsrecht (BGB): Nutzungsrechte von personenbezogenen Quellen und Quellen Dritter
- Nutzungsrechte - Teil des UrhG (hier auch Vergütungsansprüche, VG Wort, VG Bild)
- Ausschließliches Nutzungsrecht
- Nicht ausschließliches Nutzungsrecht
Nutzung von personenbezogenen Quellen
Es gibt drei Ebenen der Nutzung:
- (Erst-)Nutzung durch das Archiv
- Nutzung durch die normalen Archivbenutzerinnen und -benutzer
- Nutzung durch Veröffentlichung von Quellen, nur darum geht es heute
- in Publikationen
- in Ausstellungen
- in audio-visuellen Medien
- im Internet
- oder in noch nicht bekannten Medien
Nutzung durch Veröffentlichung von Quellen und Nachweisen von Quellen
Die dritte Ebene der Nutzung setzt im Grunde die schriftliche Einwilligung der Inhaber der Persönlichkeits- und Urheberrechte an den zu veröffentlichenden Reproduktionen oder auszustellenden Originalen voraus. Denn hier kommt das Verwertungsrecht des Urhebers unmittelbar zum Tragen. Er allein darf darüber entscheiden, ob seine Werke veröffentlicht, vervielfältigt und öffentlich zugänglich gemacht werden. Dabei ist es unerheblich in welchem Medium die Veröffentlichung stattfindet.
Die drei Ebenen der Nutzung von personenbezogenem Schriftgut machen deutlich, dass Regeln für eine abgestufte Nutzung erforderlich sind:
- für veröffentlichte Drucksachen gilt freier Zugang, Zitatrecht und die Möglichkeit zur Herstellung einer Kopie zum Privatgebrauch
- für personenbezogenes Schriftgut des Vertragspartners gilt freier Zugang im Rahmen der Benutzungsordnung, Zitatrecht und die Möglichkeit zur Herstellung einer Kopie zum Privatgebrauch
- für personenbezogenes Schriftgut Dritter gilt ein eingeschränkter Zugang
- wenn eine Anonymisierung der Quellen für die Auswertung ausreicht, gilt freier Zugang im Rahmen der Benutzungsordnung, Zitatrecht und die Möglichkeit zur Herstellung einer Kopie zum Privatgebrauch (ggf. Schwärzung der Namen)
- wenn der Urheber eines zu verwendenden Zitats genannt werden soll, weil es für die wissenschaftliche Argumentation unverzichtbar ist, muss der Nutzer die Einwilligung des Urhebers einholen. Eine Ausnahme ist bei Personen der Zeitgeschichte denkbar.
- für Veröffentlichungen in Publikationen und anderen Medien oder Präsentationen in Ausstellungen durch das Archiv oder die Benutzerinnen und Benutzer des Archivs gilt,
- für personenbezogenes Schriftgut des Vertragspartners ist das Archiv zuständig;
- für personenbezogenes Schriftgut Dritter ist die Einwilligung des jeweiligen Urhebers erforderlich;
- für Drucksachen wird das ausgebende Archiv als Herkunftsnachweis genannt.
Die Bedeutung von Schutzfristen
Die Festlegung von Schutzfristen für personenbezogenes Schriftgut ist das wichtigste Instrument im Umgang mit schutzwürdigen Personendaten. Dazu gibt es recht unterschiedliche Regelungen in den Landesarchivgesetzen oder im Bundesarchivgesetz. Noch mehr Unterschiede würde man konstatieren, wenn man die Regelungen nichtstaatlicher Archive einbeziehen würde. Interessanterweise kann die Profession der Archivarinnen und Archivare keine substantielle Begründung für die Festlegung von konkreten Schutzfristen bereitstellen. Sie werden eher mit lebenspraktischen Argumenten unterfüttert.
Bei der Festlegung von Schutzfristen wird in den meisten Fällen auch gleich eine Ausnahmeregel mit eingebaut: die mögliche Verkürzung von Schutzfristen. Sie soll einem anderen gewichtigen Rechtsgut dienen: der Freiheit der Wissenschaft. Freiheit der Wissenschaft meint in diesem Falle einen möglichst weitgehenden und ungehinderten Zugang zu Informationen. Dazu gehören auch und in manchen Fällen zentrale Informationen über Personen oder Personengruppen.
Zur Verkürzung von Schutzfristen nutzen die verschiedenen Archive recht unterschiedliche Verfahren. Das Verfahren beginnt mit einem Antrag durch den Benutzer, es folgt eine genaue Prüfung der in Frage kommenden Bestände und endet mit einem verbindlichen Bescheid des Archivs über den Umfang des Zugangs zu den gesperrten Quellen und mit einer Rechtsbelehrung wie die Quellen genutzt werden dürfen (z.B. nur anonymisiert).
Literaturhinweise:
Felschow, Eva-Marie / (Hrsg.); Schaal, Katharina / (Hrsg.): Persönlichkeitsschutz in Archiven der Hochschulen und wissenschaftlichen Institutionen. Frühjahrstagung der Fachgruppe 8 im Verband deutscher Archivarinnen und Archivare e.V., 21. bis 23. März 2012 an den Universitäten Gießen und Marburg. Leipzig : Leipziger Univ.- Verl. Wissenschaftsarchive ; 2. 181 S.
Schmitt, Heiner / (Red.); Becker, Irmgard Christa / (Mitarb.): Alles was Recht ist. Archivische Fragen - juristische Antworten. 81. Deutscher Archivtag in Bremen. Fulda : Selbstverl. des VdA. 2012. 228 S. : graph. Darst. Tagungsdokumentationen zum Deutschen Archivtag ; 16. darin: Sander, Peter: Von der Findmitteldatei zum virtuellen Lesesaal im Netz. Rechtliche Fragen bei der Umgestaltung des Archivinformationssystems HADIS (S. 135-145)
Becker, Irmgard Ch. (Hrsg.): Schutzfristen - Festlegung und Verkürzung. Beiträge zum Workshop der Archivschule Marburg am 3. Mai 2011, 2012, 127 S. darin: Vollmer, Arnd: Die Bedeutung der Schutzfristen im archivrechtlichen Kontext (S. 11-41)
Heydenreuther, Reinhard: Das Urheberrecht im Archiv und das Recht am Bild. Aus: Forum Heimatforschung, Heft 4, 1999 (S. 21-32)
Die Beiträge von Heydenreuther und Vollmer stelle ich für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des 7. Workshops gern als PDF-Datei zur Verfügung.
Anlage
Exzerpt aus dem Urheberrecht (UrhG)
Grundsätzliches zum Urheberrecht
Das Urheberrecht gehört zu den geistigen Eigentumsrechten, die jeweils national geregelt sind. Das Urheberrecht schützt das Recht der Urheberin/des Urhebers an ihren/seinen Werken. In Deutschland gilt das Gesetz über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte, kurz Urheberrechtsgesetz (UrhG). Das Urheberrecht ist - außer im Erbfall - nicht übertragbar (§ 29 UrhG). Urheberinnen und Urheber können anderen jedoch Nutzungsrechte an ihren Werken einräumen.
Was schützt das Urheberrecht?
Das Urheberrecht schützt Werke. Werke im Sinne des Urheberrechts sind geistige und künstlerische Leistungen, z.B. Gemälde, Skulpturen, Texte, Theaterinszenierungen, Fotografien, Filme, Rundfunksendungen, Musik- und Tonaufnahmen (§ 2 UrhG). Das deutsche Urheberrecht folgt dem Schöpferprinzip (§ 7 UrhG): Das Urheberrecht an einem Werk muss nicht wie ein Patent angemeldet werden, sondern es entsteht automatisch im Moment der Schaffung des Werks und erlischt erst 70 Jahre nach dem Tod der Urheberin/des Urhebers (§ 64 UrhG). Das Urheberrecht ist gemäß § 28 UrhG ein vererbliches Recht. Das Urheberrecht schützt die wirtschaftlichen und ideellen Interessen der Urheberin/des Urhebers am Werk, wird allerdings zur Wahrung der Interessen der Allgemeinheit eingeschränkt (sog. Schranken des Urheberrechts, z.B. Zitatrecht, Privatkopie). Den Urheberinnen und Urhebern stehen alle Verwertungsrechte an ihren Werken zu, z.B. das Recht der Vervielfältigung, Verbreitung, Ausstellung, öffentlichen Wiedergabe und der Bearbeitung des Werkes. Sie können jedoch Dritten bspw. für die wirtschaftliche Nutzung als gedrucktes Werk Nutzungsrechte an ihren Werken einräumen (Verwertungs- und Nutzungsrechte - z.B. VG Wort, VG Bild-Kunst). An ihrem Status als Urheberin/Urheber ändert sich dadurch nichts.
Urheber/in im Rahmen eines Arbeits- oder Dienstverhältnisses
Schafft eine Person ein Werk im Rahmen eines Arbeits- oder Dienstverhältnisses, tritt § 43 UrhG in Kraft: Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bleiben auch dann Urheberin bzw. Urheber eines Werkes, wenn sie dieses in Erfüllung ihrer arbeitsvertraglichen Pflichten geschaffen haben. Eigentümer des Werks bleibt sachenrechtlich der Arbeitgeber, während der Arbeitnehmer sämtliche Urheberrechte erhält. Diesbezüglich gilt allerdings für den Hochschulsektor eine Ausnahmeregelung. Weil Hochschullehrer/innen weisungsfrei in ihrer lehrenden und forschenden Tätigkeit sind, werden die Ergebnisse dieser Tätigkeit wie Bücher, Aufsätze, Lehrmaterialien etc. sachenrechtlich dem Eigentum der Hochschullehrerin/dem Hochschullehrer bzw. des selbständig wissenschaftlich arbeitenden Hochschulangehörigen zugeordnet.
Miturheberschaft
§ 8 UrhG regelt die Urheberschaft, wenn an der Erstellung eines Werkes mehrere Urheber/ innen mitgewirkt haben. Für den wissenschaftlichen Bereich, in dem häufig Werke wie z.B. Aufsätze und Bücher von mehreren Personen gemeinsam geschaffen werden, ist diese Vorschrift von besonderer Relevanz, da, falls sich die einzelnen Teile eines Werkes nicht gesondert verwerten lassen, alle mitwirkenden Personen Miturheberinnen und Miturheber des Werkes sind.
Welche Rechte habe ich als Urheber/in?
Das deutsche Urheberrecht unterscheidet zwischen der nicht übertragbaren Urheberpersönlichkeit und dem ebenso nicht übertragbaren Urheberrecht (§ 29 UrhG) einerseits und der nach Maßgabe der gesetzlichen Regelungen disponiblen Einräumung von Nutzungsrechten an bestehenden und künftigen Werken andererseits.
Urheberpersönlichkeitsrechte
Das Urheberrecht schüzt die Urheberin/den Urheber in ihren/seinen geistigen und persönlichen Beziehungen zum Werk und in der Nutzung des Werkes (§ 11 UrhG). Hinsichtlich der Persönlichkeitsrechte bedeutet dies, dass Urheber/innen entscheiden können, ob und wie ihr Werk zu veröffentlichen ist (§ 12 UrhG), ihre Urheberschaft anerkannt werden muss (§ 13 UrhG) und dass sie das Recht haben, eine Entstellung oder Beeinträchtigung ihres Werkes zu verbieten (§ 14 UrhG). Die Persönlichkeitsrechte bilden die ideelle Seite des Urheberschutzes und sind nicht übertragbar.
Verwertungs- und Nutzungsrechte
Laut § 15 UrhG steht Urheber/innen das ausschließliche Recht der Verwertung ihrer Werke zu. Das bedeutet, sie können darüber bestimmen, inwiefern ihr Werk vervielfältigt, verbreitet, ausgestellt, auf- oder vorgeführt wird.
Die Rechte zur Vervielfältigung, Verbreitung usw. bilden die Grundlage der materiellen Verwertung der Werke. Um die Werke wirtschaftlich nutzen zu können, ist es Urheber/innen gemäß § 29 Abs. 2 bzw. § 31 UrhG möglich, Dritten Nutzungsrechte einzuräumen.
- Einfache Nutzungsrechte: Ein einfaches Nutzungsrecht berechtigt den Rechteinhaber, das Werk auf die erlaubte Art zu nutzen, ohne dass hierdurch eine Nutzung durch die Urheberin/den Urheber selbst oder durch Dritte ausgeschlossen wird (§ 31 Abs. 2 UrhG). Der Inhaber eines einfachen Nutzungsrechts kann somit Dritten wie auch der Urheberin/dem Urheber selbst nicht die Nutzung verbieten.
- Ausschließliche Nutzungsrechte: Im Gegensatz zum einfachen Nutzungsrecht ist das ausschließliche Nutzungsrecht, wie der Name sagt, ausschließlich. Das bedeutet, ausschließlich der Rechteinhaber ist berechtigt, das Werk auf die ihm erlaubte Art zu nutzen. Ein ausschließliches Nutzungsrecht berechtigt auch dazu, die Urheberin/ den Urheber selbst von der Nutzung auszuschließen.
Einräumung von Nutzungsrechten
Die Einräumung von Nutzungsrechten geschieht beim wissenschaftlichen Publizieren zumeist im Rahmen eines Vertrags, der häufig als Lizenzvertrag oder Verlagsvertrag bezeichnet wird. Wenn Autorinnen oder Autoren mit einem Zeitschriftenverlag zusammenarbeiten, räumen sie dem Verlag Nutzungsrechte an ihren Artikeln ein, damit dieser die Inhalte verwerten darf. Bei einem traditionellen Verlagsvertrag sind dies die ausschließlichen Nutzungsrechte an der Vervielfältigung, Verbreitung und öffentlichen Zugänglichmachung, auch im Internet. Bei der Veröffentlichung von Artikeln in Zeitungen werden in der Regel nur einfache Nutzungsrechte übertragen, d.h. Autor/innen dürfen den Artikel direkt nach Erscheinen auch anderweitig bereitstellen (§ 38 Abs.3 UrhG). Soweit vertraglich nichts anderes vereinbart wurde, darf die Autorin bzw. der Autor eines Zeitschriftenartikels diesen ein Jahr nach der Verlagspublikation anderweitig bereitstellen (§ 38 Abs.1 UrhG). Dies gilt auch für Beiträge zu nicht periodisch erscheinenden Sammelbänden, sofern die Autorin/der Autor kein Honorar für den Beitrag erhalten hat (§ 38 Abs.2 UrhG). Will eine Autorin/ein Autor ein Dokument zeitgleich zur Veröffentlichung in einem Verlag im Open Access bereitstellen, bieten sich verschiedene Möglichkeiten, eine Open-Access- Parallelbereitstellung vertraglich zu vereinbaren.
Rechte an unbekannten Nutzungsarten
Neu ist seit Anfang 2008, dass die Urheberin/der Urheber in einem schriftlichen Vertrag ausschließliche Nutzungsrechte auch für zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses noch unbekannte Nutzungsarten an einen Dritten übertragen kann (§ 31a Abs.1 UrhG), Verträge über unbekannte Nutzungsarten). Ein Beispiel für eine neue Nutzungsart ist die Online- Verwertung oder Online-Nutzung, die erst seit Anfang 1995 als allgemein bekannt angesehen wird. Die Nutzungsrechte für die Online-Nutzung von Werken, für die vor 1995 ein Nutzungsvertrag mit einem Dritten abgeschlossen wurde, fielen laut der Übergangsregelung für neue Nutzungsarten (§ 137L UrhG) an den Inhaber der ausschließlichen Nutzungsrechte, wenn die Urheberin/der Urheber nicht bis Ende 2008 gegen diesen automatischen Zufall der Rechte gegenüber dem Rechteinhaber Widerspruch eingelegt hat (siehe Urheberrechtsreform und § 137L der Urheberrechtsreform - FAQ zur Rechteübertragung).
Beispiele der Fristen für den Ablauf der Urheberrechte bei Fotos
- 25 Jahre nach Erstveröffentlichung bei Lichtbildern (also einfachen Fotografien ohne künstlerische Qualität), aber 50 Jahre bei Dokumenten der Zeitgeschichte
- 70 Jahre nach Erstveröffentlichung bei künstlerischen Werken anonymer Urheber (Achtung: u.U. löst man diese Frist durch Erstveröffentlichung selbst aus)
- 70 Jahre nach dem Tode des Urhebers bei künstlerischen Werken bekannter Urheber
Input: Bettina Just - Übersicht über die Zeitzeug_inneninterviews bei DOMiD e.V.
Arten von Zeitzeugen:
Aufgrund des Themenschwerpunktes handelt es sich bei unseren Zeitzeugen um Personen aus dem Kontext der Migrationsgeschichte: vorwiegend MigrantInnen und ihre Lebensgeschichten, MitarbeiterInnen der Verbindungsstellen, FreundInnen, LehrerInnen sowie Mitglieder von Migranten-Selbstorganisationen
Stellenwert (aktuell):
Angebot als ergänzende Quelle für unsere ArchivnutzerInnen, neben zahlreichen Archivalien, Literatur und musealen Objekten zum Thema.
Entstehung:
Die bisher vorhandenen Interviews entstanden im Vorfeld großer Ausstellungsvorhaben, die zeitlichen Zäsuren sind:
- 1998 "Fremde Heimat" - Ausstellung in Zusammenarbeit mit Ruhrlandmuseum Essen über türkische Migration nach Deutschland. Diese Interviews wurden vom damaligen Geschäftsführer unseres Vereins geführt.
- 2002-2006 Großprojekt "Projekt Migration" – hier starke Professionalisierung der Interviews (Workshop für die Mitarbeiter zur Führung von Interviews, Erstellung von Leitfäden und Erhebungsbögen zur Interviewsituation), MitarbeiterInnen aus unterschiedlichsten Communities führten Interviews in den jeweiligen Muttersprachen.
- 2011 "Geteilte Heimat. 50 Jahre Migration aus der Türkei"
Bestand- und Erschließungsübersicht
Derzeit liegen 310 Interviews vor, davon 298 Audio- und 12 Video-Interviews. 261 sind bereits in unserer Archiv-Datenbank FAUST verzeichnet, der Rest stammt aus dem letzten Ausstellungsprojekt und ist noch nicht erschlossen. Nur 20% der Interviews wurden auf Deutsch geführt. Von den in der DB FAUST 6 verzeichneten sind 80% digitalisiert (die Interviews vor 2009 wurden ursprünglich auf Tonkassette und Minidisc geführt) und das Digitalisat (.mp3) ist mit dem FAUST-Datensatz verbunden, d.h. die Tondateien können von NutzerInnen direkt aus der Datenbank heraus angehört werden. Alle in der Datenbank befindlichen Interviews sind grob erschlossen (d.h. Angaben zu: wer hat wen wann interviewt, Migrationsbezug (Community, z.B. "Türkei"), ggf. Standortdes Originalmediums), 40% der Datensätze enthalten darüber hinaus gehende Informationen, die eine schnelle Recherche und einen inhaltlichen Überblick bieten:
- Themenschlagworte (derzeit noch freie Schlagwortliste, kein Thesaurus),
- sequentielle Zusammenfassung des Interviews (ggf. Transkript und Übersetzung - im Datensatz selbst oder als mit dem Datensatz verknüpftes Word-Dokument)
- Angaben zur Person der/des Interviewten
- Angaben zu Interviewdauer und Schilderung der Interviewsituation, da diese die inhaltliche Aussage beeinflussen kann (beispielsweise: Ort des Interviews: Zuhause oder unterwegs mit zahlreichen Zuhörern? Waren die Fragen der Person vorab bekannt? Waren weitere Personen anwesend?)
- Einverständniserklärung und eventuelle Einschränkungen der Interview-Nutzung durch DOMiD oder unsere ArchivnutzerInnen
Nutzung:
Die Interviews können derzeitig ausschließlich bei DOMiD vor Ort angehört werden, als Teil des regulären Rechercheangebotes. Eine Präsentation im Internet ist aufgrund der teils noch ungeklärten Rechtslage des Großteils der Interviews nicht geplant. Unsere ArchivnutzerInnen sind vorwiegend WissenschaftlerInnen (hier schwerpunktmäßig Studierende), auch aus dem Ausland. Für diese ist es möglich kurze, transkribierte Zitate aus den Interviews zu verwenden, aber unter Wahrung der Anonymität. Eine weitergehende Verwendung des Materials (z.B. als O-Ton) ist nur möglich, wenn eine entsprechende Einverständniserklärung der Interviewten vorliegt.
Aktuelle Herausforderungen in Bezug auf den Interviewbestand:
- Koheränte Tiefenerschließung aller vorhandenen Interviews – Problem: es sind dafür Sprachkenntnisse und sehr viel Zeit von Nöten (im Rahmen der laufenden Projekte nicht zu leisten)
- Erstellung eines Themen-Thesaurus (dieser müsste sich nach Möglichkeit auch auf die anderen Bestände beziehen)
- Erweiterung der Anzahl und des Themenspektrums der Interviews, unter entsprechender Anpassung der vorhandenen Leitfäden (z.B. Thema Generationenwechsel - Blick auf 2./3./4. Generation, weitere Communities z.B. aus Osteuropa, Thema Asyl)
- nachträgliche Rechteklärung (Einholung von Einverständniserklärungen): sehr zeitaufwändig wie bereits im Fotoprojekt des letzten Jahres deutlich wurde - die in den 1990er Jahren Interviewten sind teilweise bereits verstorben oder nicht mehr ausfindig zu machen
- Erarbeitung und Umsetzung eines Langzeitarchivierungskonzeptes für unsere digitalen Dateien (sollte auch die anderen Bestände umfassen)
Anhang:
Literatur-/Internettipps (mit Schwerpunkt auf kostenfrei online einzusehende Texte)
Problemfeld Zeitzeugeninterviews
- http://www.gedaechtnis-der-nation.de/bilden/wissenschaft/ enthält mehrere Aufsätze zum Thema, u.a. auch:
- Leh, Almut: Forschungsethische Probleme in der Zeitzeugenforschung, in: BIOS, 1/2000, S. 64-76.
- Plato, Alexander von: Zeitzeugen und die historische Zunft. Erinnerung, kommunikative Tradierung und kollektives Gedächnis in der qualitativen Geschichtswissen schaft - ein Problemaufriss, in: BIOS, 1/2000, S. 5-29.
- Sabrow, Martin: Die Geburt des Zeitzeugen nach 1945, Göttingen, Wallstein, 2012.
- Sachsse, Rolf: Zeitzeugen und Wahrheit. Das narrative Interview in der fotohistorischen Forschung, in: Fotogeschichte, 32 (2012), H. 124, S. 74-77.
Interviewtechnik
- Metaversa e.V.: „Zeitzeugengeschichte.de“ Ein Leitfaden zur Durchführung von Interviews mit ZeitzeugInnen; online unter http://zeitzeugengeschichte.de/pdf/EG-Leitfaden.pdf (2. verbesserte Aufl., 2007, 64 S., bezieht sich sowohl auf Audio- als auch auf Video-Interviews)
- Praxisbuch Interview & Transkription. Regelsysteme und Anleitungen für qualitative ForscherInnen, 4. Aufl. 2012; online unter: http://www.audiotranskription.de/Praxisbuch-Transkription.pdf
- Trautmann, Matthias: Qualitative Interviews führen und auswerten; online unter http://mlecture.uni-bremen.de/intern/ss2011/fb10/10-e78-2-sfp-2/20110525/folien.pdf (Vorlesungsfolien, 2011)
Langzeitarchivierung von Interviewdaten
- Graduate School of Social Sciences (Universität Bremen) und Zentralarchiv für Empirische Sozialforschung (Universität Köln): Archivierung und Sekundärnutzung von Interviewdaten – eine Machbarkeitsstudie; online unter http://www.qualiservice.org/fileadmin/templates/qualiservice/DFG_Abschlussbericht.pdf (das Projekt ist bereits älter, Laufzeit war 2003-2005)