10. Workshop "Archive von unten" pdficon_large.gif

Berlin, 26. und 27. Mai 2016
Im Archiv der Jugendkulturen e.V. in Berlin

Inhalt

AG Digitaliserung

  1. Mai, 13:30 - 15:30 Uhr / Moderation: Anne Vechtel (Archiv Grünes Gedächtnis), Protokoll: Roman Klarfeld (FFBIZ)

Input 1: „Digitalisierung von Digitalem“ - Vorstellung der Datenbank Somera (Social Media Research Archive), Archiv der Jugendkulturen e. V. Berlin

Das Archiv der Jugendkulturen präsentierte das Projekt zur Archivierung von GMF (Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit)-Kommunikation in sozialen Medien. Das Projekt wird über das Förderprogramm „Demokratie Leben“ des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und die bpb gefördert.

Gesammelt werden rechtextreme, antisemitische und rassistische Webinhalte im Rahmen von Jugendkulturen. Mit dem Programm Somera werden Screenshots von Seiten, Videos von politischen Aktionen, Musikvideos, Fotos von Aktionen, Profilbilder, Blogs und einzelne Posts gespeichert, untereinander verknüpft und katalogisiert.

Der Workflow sieht vor, erstmal die Ressourcen durch Social Media Monitoring zu finden. Dazu wurden Profile in sozialen Netzwerken angelegt, verschiedene Informationsquellen abonniert und über google alert eine regelmäßige automatische Suche nach relevanten Begriffen erstellt. Ein Großteil dieser Informationsquellen ist frei zugänglich. Das Monitoring von weiteren Quellen wie twitter, tumblr u.ä. ist in Planung. Als Ergänzung und um die Daten besser durchsuchbar zu machen (z.B. Kommentare auf fb) wird künftig die OCR eingepflegt. Das momentane Datenvolumen umfasst 559 Ressourcen, die als screenshots gespeichert sind.

Der Schwerpunkt der gesammelten Daten liegt auf dem deutschsprachigen Raum. Da die Netze aber teilweise international sind, soll der Sammelschwerpunkt punktuell erweitert werden.

Somera verfügt über ein Plugin, wodurch die Speicherung direkt aus der Ressource möglich ist. Da es sich bei Somera um eine Opensource-Software handelt, wird die Nachnutzung durch andere Einrichtungen möglich sein.

Aus rechtlichen Gründen ist die Datenbank nur vor Ort für Nutzer_innen einsehbar und nicht über das Internet aufrufbar.

Input 2: „Digitalisierung von Analogem“ - Projekt „Digitalisierung und IT-Anwendungen von Einrichtungen der Informationsversorgung“ Ulrike Treziak & Ellen Röhner, FHXB (Friedrichshain-Kreuzberg Museum Berlin)

Das Friedrichhain-Kreuzberg Museum Berlin hat sich 2012 auf einen von der Wirtschafts- und Kulturverwaltung des Berliner Senats ausgeschriebenen Wettbewerb für Digitalisierungsprojekte beworben und als „Nachrücker“ Ende 2013 die Zusage zur Projektförderung erhalten.

Das Archivierungsprojekt DARCHIM (Digitalisierung der Archivschätze im Museum) umfasst folgende Bestände aus dem Museum:

  • Konvolut „Stadterneuerung und soziale Bewegungen“, das zu einem großen Teil aus grauen Materialien, Zeitschriftensammlungen zum Thema, Flugblättern und Plakaten aus der Besetzter_innenbewegung und Plakaten von offizieller Seite besteht
  • Sammlung zu Migration nach Friedrichshain und Kreuzberg (Zeitzeug_inneninterviews)
  • Sammlung zum Ausstellungsprojekt „Juden in Kreuzberg“
  • Sammlung „Künstlerkreis Kreuzberger Boheme“
  • Scrapbooks zur Geschichte Friedrichshain aus dem Heimatmuseum

Um die Digitalisierung möglichst nach den momentan geltenden Standards und in Hinblick auf Langzeitarchivierung durchführen zu können, wurden im Vorfeld von den Mitarbeiter_innen Workshops bei Digis (Servicestelle Digitalisierung) besucht. Ein Großteil der Digitalisate wurde durch einen externen Dienstleister erstellt und bereits mit OCR-Erkennung gescannt und als volltextdurchsuchbare PDFs an das Museum geliefert. Die Kunstwerke aus der Sammlung „Künstlerkreis Kreuzberger Boheme“ digitalisierte ein Reprofotograf. Ein kleiner Teil des Bestands wurde direkt im Archiv mit dem bereits vorhandenen Flachbrettscanner selber gescannt.

Zur Klärung der rechtlichen Fragen hat sich das FHXB Museum durch die Kanzlei Irights, die sich mit Urheberrechten im Netz beschäftigt, beraten lassen. Um die Urheber_innen- und Persönlichkeitsrechte zu schützen, wurden z.B. in den Digitalisaten aus dem Nachlass des Vereins SO36 mit Adobe Professionell die Namen geschwärzt. Fotos, an denen nicht die Rechte beim Museum liegen, wurden mit einem blur-filter hinterlegt. Für nicht freigegebene Digitalisate wurden Platzhalter eingesetzt. Für einen Großteil des Bestandes konnte durch eine eigens dafür eingestellte Person die Rechtelage recherchiert und geklärt werden.

Die Datenbank sowie die Digitalisate werden im eigenen Haus auf einem NAS-Festplattenserver gespeichert. Zusätzlich werden die Daten noch extern gesichert und in regelmäßigen Abständen aktualisiert. Um die Langzeitarchivierung gewährleisten zu können, liegen die Digitalisate zusätzlich im Konrad-Zuse-Zentrum, wo die kontinuierliche Umformatierung in aktuelle Formate gesichert ist. Die Kosten betragen 500 Euro pro TB im Jahr.

http://www.fhxb-museum.de/index.php?id=305
https://irights.info/

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AG Vernetzung

  1. Mai, 13:30 - 15:30 Uhr / Moderation: Christian Schmidt (Archiv der Jugendkulturen e.V.), Protokoll: Tanja Ehmann (Archiv der Jugendkulturen e.V.)

Input 1: „Digital Transgender Archive“, Niki Trautwein, Lili-Elbe-Archiv Berlin

Nach einer einjährigen Konzeptionsphase sind auf der Webseite nun 20 Organisationen mit vertreten. Die Kataloge sind bei den Organisationen selbst unterschiedlich standardisiert, so dass ein kleinster gemeinsamer Nenner gefunden werden musste. Volltextverfügbarkeit der Digitalisate: Um eine einheitliche Scan-Qualität zu gewährleisten, schicken die einzelnen Organisationen ihre Digitalisate via Dropbox oder Google Drive an das College of the Holy Cross zu K.J. Rawson in New York. 5 Personen, die sichten, katalogisieren und verschlagworten. Die Suchfunktionen nach Map (Location: was wurde über den Ort geschrieben), Institution, Collection, Topic, Genre und Latest Added. Wegen der Datengröße (z.B. auch für Interviews) und der Qualitätsanforderungen wird viel Speicher gebraucht. Weitere Materialarten: Bücher, Fotos, Zeitschriften, Einblatt. Die Verwaltung ist sehr zeitintensiv. Der Host ist teuer und liegt in den USA. Es gibt noch keine richtige Lösung für die Server-Logistik bzw. das Mehr an Materialien. Die Finanzierung in Zukunft ist unklar. K.J. hat eine Professur, die halben Stellen werden über Spenden finanziert, und es werden Forschungsanträge für Drittmittel gestellt. Da das Archiv in den USA ansässig ist, gilt das amerikanische Urheberrecht, d.h. bis 2005 kann fast alles online eingestellt werden. Es besteht ein mitgliedsbasiertes Zugangs- bzw. Zugriffsrecht für die Zeitschriften. Frage zur inhaltlichen Erschließung: So wie der Katalog jetzt ist, bleibt er bestehen. Es gibt auf der Webseite die Möglichkeit, nach Schlagwörtern zu recherchieren. Es sind 500 Begriffe, die alphabetisch sortiert sind: Personen, Geografischer Ort, Themen (z.B. Religion). Bei den Digitalisaten orientierte man sich an den Richtlinien der DFG. Wie viele Personen sind in Berlin, also im Lili Elbe Archiv, an der Digitalisierung beteiligt? In Berlin arbeiten 7 Personen ehrenamtlich mit am Projekt, ansonsten läuft alles Finanzielle über die Datenbank. Wird das Archiv irgendwann überflüssig, wenn alles in einer Datenbank recherchierbar und findbar ist? Das Archiv wird durch das Online Transgender Archiv nicht ersetzt, Fragen zu den einzelnen Materialien/Objekten und die Beratung gehen nur mit Kontext. Auch das Haptische bzw. die Materialarten sind nicht über eine Online-Datenbank erschließbar. Nehmt ihr e-Journals auf? –Ja. Die Digitalisierungskultur in USA ist anders. Wird es eine Verknüpfung mit der ZDB geben? Es gibt eine Verknüpfung mit der US-amerikanischen ZDB, hier vor allem mit Zeitungs- und Fernsehberichten. Wie ist es mit Sprachbarrieren? Die Datenbank besteht ausschließlich aus englischen Veröffentlichungen.

Input 2: „Digitales Frauenarchiv“, Sabine Balke / Stefanie Pöschl, Spinnboden Lesbenarchiv Berlin

Vorgeschichte/Initialzündung: Koalitionsvereinbarung zwischen CDU und SPD 2013: „…indem wir die existierenden Materialien unter Einbeziehung der Frauenarchive in einem „Digitalen Deutschen Frauenarchiv“ sichern und der Öffentlichkeit zugänglich machen." Es gab praktisch keine Konkurrenz, aber auch die jahrelange Arbeit, die Lobbyarbeit von 2013-2015 und die Tatsache, dass der Mediaturm das Fördergeld nicht nehmen konnte, waren Aspekte. Es folgte eine Fachtagung „Digitales Frauenarchiv 2014“ des BMBFJ und eine Machbarkeitsstudie für ein DDF. Konzept und Projektantrag 2015, Zuwendungsbescheid Mai 2016, Projektstart 01.07.2016, Projektlaufzeit bis Ende 2019. Ein Metakatalog wurde bereits auf den Weg gebracht. Stellenausschreibungen sind bereits veröffentlicht, Vorstellungsgespräche vereinbart.

Wie kriegen wir die Informationen strukturiert? In der Navigation suchbar nach: Zeitraum/-spanne; AkteurInnen; Themen; Ereignisse; Netzwerk der AkteurInnen. Sabine Balke zeigt das Netzwerk zu Anita Augspurg, um zu verdeutlichen, dass es über das Mapping möglich ist zu zeigen, welche Beziehungen es zwischen Anita Augspurg und anderen FeministInnen gab. Man kann auf die Namen klicken, um Informationen zu den einzelnen im Netzwerk vorkommenden Personen zu erhalten. Allerdings geben die Netzwerkinformationen keine Auskunft über die Qualität der Beziehungen. Frage: Wie war der Weg von den Informationen aus dem Netz zur eigenen Datenbank? –Die Idee war zuerst da. Wir haben eine Recherche gemacht, wie sind unsere Materialien strukturier- und darstellbar, was macht man mit den Quellen, es war auch eine Verlinkung angedacht, Ziel war ein Portal, welches auch Mehrwert bietet. Zum im Koalitionspapier genannten Schwerpunkt DDR-Frauenbewegung sollen Kooperationen im IDA-Dachverband aufgebaut werden. Grundsätzlich werden Mittel aus den Projektgeldern vorrangig an Einrichtungen vergeben, die im IDA sind, und erst wenn noch Gelder übrig sind, werden sie anders ausgeschrieben. Der Metakatalog ist ein Zusammenschluss aus den IDA-Mitgliedern. Offene Frage: Wie kann man die unterschiedlichen Bestände und Systeme zusammenstellen? Es wird aber auch eine Verlinkung zu Archiven geben, die nicht im IDA-Dachverband sind. Die Infos aus den 36 IDA-Archiven sind bereits erfasst. Zur Digitalisierung gehört die Erschließung, Erfassung, Erhaltung und Erweiterung der Bestände und Materialien. Unsere Stärke ist: wir sind alle in Bewegungen, die viele staatliche Archive nicht als Hintergrund haben. Ihnen fehlt das Kontext-/Bewegungswissen. Diesen Umstand muss man betonen, wenn man Lobbyarbeit für Archive machen möchte und auch in Digitalisierungs-/Bewahrungsanträge reinschreiben. Eine Recherche-Anfrage ist einfach, aber wer etwas z.B. über eine Organisation oder AkteurInnen wissen will, muss selbst vorbeikommen. Aber es finden auch bestimmte Zugänge nicht mehr statt, deren Lücken aber auch anders/neu geschlossen werden. Bei den Verhandlungen zum Projekt wurde immer auch auf die Zukunftsperspektive der Archivarbeit hingewiesen: dass der Aufbau eines digitalen Archivs immer auch mit der Anerkennung der Archivarbeit selbst verbunden sein muss.

Input 3: „Sichtbarkeit von Popkultur“, Daniel Schneider, Archiv der Jugendkulturen e. V.

Wie lassen sich pop- und subkulturelle Inhalte in bereits existierenden Archiven oder Datenbanken findbar machen? Das Archiv der Jugendkulturen e.V. wird eher als Jugendarchiv ohne Kultur wahrgenommen. Frage: Wie ist es möglich, ein Portal zu schaffen, welches sich mit dem Thema Pop und Sub beschäftigt? Viele Archive haben Bestände zu Pop- und Subkultur, kennzeichnen diese aber nicht als solche. Zum Beispiel die Havemann-Gesellschaft hat viel zu DDR-Punk, im afas in Duisburg gibt es ein SPEX-Register oder im Schwulen Museum ist viel zur Techno-Szene vorhanden. Ein digitales Museum, in dem diese Bestände als Pop- und Subkultur findbar sind, wäre sinnvoll. Bereits existierende Metadatenbanken zu diesem Bereich haben häufig eine schlechte Qualität. Häufig fehlt in den einzelnen Archiven das Wissen darüber, was die anderen Archive machen bzw. sammeln. Es gibt große Leerstellen im Aufbau von Netzwerken in diesem Bereich. Die Vernetzung sollte sich auch auf kleine Institutionen für einzelne Pop- und subkulturelle Orte sozialer Bewegungen beziehen wie beispielsweise das Conne Island in Leipzig, in deren Archiv (auch mit Digitalisaten im Netz) seit 1991 Plakate, Flyer und Banner eigener Veranstaltungen zum Thema Jugend, Pop- und Subkultur gesammelt werden. Die Vernetzung, wie sie im IDA-Dachverband stattfindet, weil man sich so gut kennt und aus einer Bewegung kommt, muss erst aufgebaut werden. In Hinblick auf die Frage: wer sammelt was und wo sammelt man zusammen?, sollte überlegt werden, welches gemeinsame Thema man finden könnte, um dafür einen gemeinsamen Sammelauftrag aufzubauen. Auch muss eine spartenübergreifende Vernetzung im Bereich Pop- und Subkultur aufgebaut werden, da häufig Informationsdefizite bestehen. Eine Überlieferungssicherung im Verbund ist sinnvoll; es macht nicht die Qualität eines Archivs aus, wenn jedes Archiv alles hat. Wie kann man den Bestandsaufbau definieren und braucht es Sammlungsschwerpunkte? Wie kann man das Sammlungskonzept sichtbar machen? Bei der Fülle an Zugriffen auf Pop scheint das Bedürfnis nach dem Themenbereich groß zu sein. Pop ist ein Kernbestand des Archivs, wir haben ExpertInnen und Fachwissen. Wichtig wäre es für uns, dauerhafte professionelle Strukturen aufzubauen. Wenn wir kein abgeschlossenes Archiv sein wollen, müssen wir transparent machen, dass wir sowohl Protest- als auch Popkultur sammeln, aber auch das, was in der Jugendbewegung produziert bzw. hergestellt wird.

Input 4: „Fanzines“, Julia Chaker, Archiv der Jugendkulturen e. V.

Die Materialart Fanzine/Zine steht im Fokus beim Ziel, eine Vernetzung voranzutreiben. Hierbei soll sich die Vernetzung nicht auf die Art der Einrichtung beschränken. Julia will eine Mailingliste aufbauen, in der ein Austausch über die Archivierungspraxis, das Medium und die Bestände stattfinden könnte (Bsp. Zine Library als Möglichkeit der Vernetzung). Man könnte auch ein Zine-Wiki aufbauen. Die Analyse von ersten Antworten auf eine Vernetzungsmail zeigt, dass die Auseinandersetzung mit Zines sammlungsabhängig stattfindet und dass Fanzines häufig nicht als eigenständige Medien erschlossen werden. So z.B. in der Akademie der Künste, dort werden sie unter Flugblättern/Einblattsammlung archiviert, obwohl sie eindeutig als Zines erkennbar sind. Welchen Mehrwert hätte es für die AdK, sie als Zines zu kennzeichnen? Julia bzw. JuBri als Forschungsverbund zum Thema jugendliche Bricolage wäre es wichtig, aus einer forschenden Perspektive heraus zu erfahren, wie gesammelt wird, wo Vernetzung stattfindet. Ziel: ein Verzeichnis zu erstellen von Archiven, in denen Fanzines vorhanden sind. CUSEB als Beispiel, in dem sich 33 Einrichtungen vernetzt haben.

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Plenum: Generationenwechsel in Archiven

  1. Mai, 10:00 - 12:00 Uhr / Moderation: Günther Siedbürger (Hans-Litten-Archiv), Protokoll: Jürgen Bacia (Archiv für alternatives Schrifttum)

Um Erfahrungsberichte aus einem möglichst breiten Spektrum von Archiven zu erhalten, haben MitarbeiterInnen aus folgenden Archiven Inputs gegeben:

  • das Gorleben Archiv durch Birgit Huneke
  • das Archiv der deutschen Frauenbewegung (AddF) durch Conny Wenzel
  • das Archiv für alternatives Schrifttum (afas) durch Anne Niezgodka
  • das Umbruch Bildarchiv durch Hermann Bach und Thomas Dietrich Lehmann
  • das Archiv aktiv durch Andrea Walter.

Die Diskussion wurde anhand dreier Fragen geführt:

Frage 1. Welchen Bezug haben Eure Archive zu den spezifischen sozialen oder politischen Bewegungen und was bedeuten Veränderungen innerhalb der Bewegungen für die Archive?

Beim Gorleben Archiv ist der Bezug zu den Kämpfen gegen das Nukleare Entsorgungszentrum, der Mitte der 1970er Jahre begann, eindeutig. Dieser Kampf dauert bis heute an, insofern hat sich der Bezug zu den Menschen in der Region, zur Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg, zur Bäuerlichen Notgemeinschaft und vielen anderen, kleinen Initiativen nicht geändert. Das Archiv ist allerdings erst 2001 gegründet worden und wird bis heute mit sehr geringer Bezahlung aufrechterhalten.

Das Archiv der deutschen Frauenbewegung hat dadurch, dass es sich auf die Sammlung von Materialien der alten Frauenbewegung spezialisiert hat, keine direkte Anbindung an die aktuelle Frauenbewegung. Gleichwohl ist es mit den Archiven, die im Dachverband der Frauen- und Lesbenarchive organisiert sind, eng verbunden.

Das Archiv für alternatives Schrifttum ist nicht als Archiv einer bestimmten Bewegung gegründet worden, sondern sammelt Materialien aus den verschiedenen Milieus. Die Existenz des afas ist deshalb nicht von der Stärke oder Schwäche bestimmter Bewegungen abhängig. Die erste Generation des 1985 gegründeten Archivs stammt gleichwohl aus dem Milieu der undogmatischen Linken der 1970er Jahre. Primäres Ziel des afas ist es, den Materialien der verschiedenen Alternativ- und Protestbewegungen eine dauerhafte Heimat zu bieten.

Die im Umbruch Bildarchiv arbeitenden Menschen kamen und kommen bis heute aus den verschiedenen, aktiven Bewegungen. Ihr Ziel war immer, mit den Fotos eine Gegenöffentlichkeit zu schaffen. Deshalb finden sich Umbruch-Fotos vorwiegend in Bewegungsblättern und –publikationen. Das Archiv aktiv ist aus der gewaltfreien Bewegung entstanden und hat bis heute dort seine Basis. Den Grundstock des Archivs bilden Materialien der Zeitschrift „Graswurzelrevolution“, aber auch aus den verschiedenen Graswurzel- und Friedensbewegungen. Deshalb finden sich im Archiv sowohl Initiativen- als auch Personenbestände.

Frage 2. Wie vollzieht sich der Generationenwechsel in den Archiven? Sind institutionelle Veränderungen erforderlich, droht gar die Schließung?

Die im Gorleben Archiv gesammelten Dokumente legen Zeugnis über die gescheiterte Atompolitik ab – und bleiben deshalb aktuell. Trotzdem hat das Archiv die Erfahrung gemacht, dass selbst Leute aus der Bewegung nur schwer für eine Mitgliedschaft im Archiv-TrägerInnenkreis zu gewinnen sind. Ungelöst ist auch die Frage, wie junge Leute für eine aktive Mitarbeit im Archiv gewonnen werden können.

Im Archiv der deutschen Frauenbewegung ist der Generationenwechsel kein aktuelles Problem. Die im Archiv arbeitenden Frauen haben sich immer als Kollektiv verstanden und haben immer mehr als eine Generation umfasst. Zur Zeit sind die Frauen im Team zwischen Anfang 30 und Anfang 60.

Beim afas ziehen sich nach über 30 Jahren die Gründungsmitglieder langsam zurück. Seit drei Jahren gibt es zwei junge Frauen, die das Archiv gerne weiterführen würden, da das afas von drei Seiten großen Zuspruch bekommt, so dass sich der Gründungsgedanke des Archivs bestätigt: 1. Von Seiten der Bewegungen und AktivistInnen. Dem afas werden regelmäßig umfangreiche Vor- und Nachlässe angeboten. 2. Von Seiten der (meist jungen) NutzerInnen, die das Archiv aufsuchen. 3. Von Seiten der traditionellen Archive (Verband deutscher Archivarinnen und Archivare).

Das Umbruch Bildarchiv sucht den Kontakt zu aktuellen Bewegungen, und Leute aus diesen Bewegungen bringen auch Fotos in den Fundus des Archivs ein. Zwar gibt es im Archiv eine Art bezahlte Ministelle, doch die meiste Arbeit wird nach wie vor ehrenamtlich erledigt. Dadurch bleiben viele dringend erforderliche Arbeiten immer wieder liegen.

Im Archiv aktiv verkörpern die aktuell dort Arbeitenden die jüngere Generation; insofern hat der Generationenwechsel stattgefunden. Es gibt ein paar Freiwillige, die mitarbeiten, aber hier ist ein Ende absehbar. Die jungen Leute, die an Archivarbeit interessiert sind, haben keine Zeit für ehrenamtliche Arbeit. „Wir bräuchten eigentlich einen Fundraiser“.

Frage 3. Welche Erfahrungen gibt es mit dem Generationenwechsel? Welche Maßnahmen könnten ihn erleichtern?

Das Gorleben Archiv stellt die „Forderung nach Förderung“ auf: junge Leute müssen mit Archiv- und Bildungsarbeit ihr Auskommen haben. Die alte Generation muss es aber auch schaffen, „junge Menschen für unsere ‚alten‘ Geschichten zu begeistern“. Das sei allerdings mit der zur Zeit vorhandenen, kleinen Stelle nicht zu leisten. Aber: „Der Laden läuft, die Arbeit macht Freude, Power ist noch da, wir bleiben dran und wir müssen tolerant und offen gegenüber einer jungen Generation bleiben, die vielleicht vieles anders machen will“.

Auch im Archiv der deutschen Frauenbewegung spielt Geld für die Finanzierung von Stellen für das Team eine große Rolle. Zumindest Teilzeitstellen für den festen Stamm der Mitarbeiterinnen sind so gewährleistet. Manchmal bleiben Praktikantinnen hängen und landen auf Projektstellen. Frauen auf befristeten Stellen hangeln sich von Projekt zu Projekt, gehören irgendwann vielleicht sogar zum Team.

Im Archiv für alternatives Schrifttum sind die beiden jungen Mitarbeiterinnen im Laufe von drei Jahren in die Arbeit hineingewachsen, quasi im Tandem aus teilnehmender Beobachtung und Übernahme konkreter Aufgaben. Sehr wichtig ist der Wissenstransfer: einerseits bei der praktischen Archivarbeit, andererseits aber bei der Weitergabe von Informationen zu Sammlungen, Milieus und Kontakten. Was ist wann, wo und unter welchen Umständen übernommen worden? Was gibt es für Kontexte, Stories, Legenden? Außerdem ist das afas gerade dabei, den TrägerInnenkreis des Vereins zu erweitern und zu verjüngen.

Im Umbruch Bildarchiv gestaltet sich der Generationenwechsel schwierig. Als Ausweg wird versucht, viel Material zu allen möglichen Themen und Anlässen ins Netz zu stellen, um sich damit ein Stück weit überflüssig zu machen nach dem Motto: „wenn die Leute nicht ins Archiv kommen, gehen wir zu den Leuten“. Wenn Umbruch ein „lebendiges Archiv“ bleibt, kommen vielleicht auch junge Leute ins Archiv.

Im Archiv aktiv stellt sich jenseits des Generationenwechsels viel eher die Frage, wie man neue Leute, egal ob jung oder alt, für die Mitarbeit im Archiv gewinnen kann. Erfahrungsgemäß hat man hier durch persönliche Ansprache die größten Erfolge.

In der abschließenden Plenumsdiskussion wurden sehr unterschiedliche Stellungnahmen abgegeben. Hier die wichtigsten:

  • Jenseits der Sorge um die Archive ist „Geschichte machen“ wichtiger als „Geschichte bewahren“.
  • Jüngere Leute sollten ihre Geschichte in die bestehenden Archive einbringen.
  • Generationenunterschiede gibt es nicht nur im Archivbereich; generell stellt sich die Frage, wie junge und alte Leute aus Bewegungen miteinander klarkommen.
  • Archive kommen gelegentlich um eine Neuausrichtung nicht herum.
  • Die Arbeit Freier Archive ist wichtig, das muss allgemein bekanntgemacht werden.
  • Die Zusammenarbeit zwischen Freien und traditionellen Archiven sollte intensiviert werden.
  • In einem Archiv wie dem Grünen Gedächtnis stellt sich die Frage nach dem Generationenwechsel gar nicht: er läuft automatisch dadurch, dass die Stelle nach der Pensionierung eines Mitarbeiters / einer Mitarbeiterin einfach neu besetzt wird. Real bedeutet dies gleich mehrere Gefahren: Informationen werden nicht weitergegeben, bestehende Sammlungen werden u.U. neu geordnet (und verkleinert) - und Freundschaften werden nicht vererbt.

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Abschlussplenum

  1. Mai, 12:15 - 13:15 Uhr / Moderation: Reinhart Schwarz (Archiv des Hamburger Institut für Sozialforschung), Protokoll: Dagmar Nöldge (FFBIZ)

1. Arbeitsergebnisse des Arbeitskreises Überlieferungen der Neuen Sozialen Bewegungen

Reinhart Schwarz informiert über die einzelnen Fachgruppen des Verbandes der deutschen Archivarinnen und Archivare (VdA)und die Zugehörigkeit des Arbeitskreises Überlieferungen der Neuen Sozialen Bewegungen zur Fachgruppe 8 (Archive der Hochschulen sowie der wissenschaftlichen Institutionen). Jürgen Bacia erinnert an die ersten persönlichen Kontakte mit dem VdA-Vorstand 2007 und der Gründung des Arbeitskreises Überlieferungen der Neuen Sozialen Bewegungen 2009. Ferner berichtet er von den Ergebnissen der empirischen Untersuchung zu Beständen der Neuen Sozialen Bewegungen in Kommunalarchiven und verweist auf den Bericht im ARCHIVAR (3/2015, S. 251ff) sowie das Buch zur Geschichte der Freien Archive "Bewegung bewahren. Freie Archive und die Geschichte von unten" (Archiv der Jugendkulturen 2013) von Cornelia Wenzel und ihm.

Reinhart Schwarz erzählt von dem von der Arbeitsgruppe verfassten Positionspapier, das bereits im ARCHIVAR (2/2016, S. 179-186) unter dem Titel „ Zur Zukunft der Archive von Protest-, Freiheits- und Emanzipationsbewegungen. Positionspapier des VdA zu den Überlieferungen der Neuen sozialen Bewegungen“ als Stellungnahme veröffentlicht wurde (http://www.archive.nrw.de/archivar/hefte/2016/index.html). Ferner berichtet er von der sehr produktiven Zusammenarbeit im Arbeitskreis.

Conny Wenzel liest Auszüge aus dem Papier vor und fasst wichtige Positionen und Forderungen zusammen. Dieses Positionspapier soll das Bewusstsein für die Bedeutung der Archive der Sozialen Bewegungen innerhalb der Archivlandschaft stärken und gleichzeitig als Grundlage bzw. Argumentationshilfe für eigene Anträge und Selbstdarstellungen dienen. Zusätzlich können eigene Projekteanträge durch VdA-Gutachten oder -Befürwortungen unterstützt werden. Gabriele Rohmann wird sich um die Verbreitung des VdA-Papiers, u.a. im Forschungsjournal Soziale Bewegungen, bemühen. Das Plenum spricht der Arbeitsgruppe seinen Dank für die geleistete Arbeit aus.

2. Sonstiges

Das Plenum bedankt sich bei Gabriele, den MitarbeiterInnen des Archivs der Jugendkulturen und dem Vorbereitungsteam für die Arbeit. Das Archiv der Jugendkulturen wird auch das nächste Treffen am 15./16. Juni 2017 ausrichten. Das Vorbereitungsteam bleibt bestehen. Neue Mitglieder sind sehr willkommen.

Themen für 2017:

  • Rechtliche Fragen bei der Publikation von Materialien im Internet (Expertin einladen)
  • Berichte über die Weiterentwicklung der beim diesjährigen Workshop vorgestellten Netzwerke und Projekte
  • Generationenwechsel. Methoden und Erfahrungen der Wissensweitergabe
  • Archivierung von Objekten (Sticker, Transparente)

Änderungswünsche:

  • Auflockerung der Großen Vorstellungsrunde durch Visualisierungstechniken (z.B. Stichwortkarten)
  • Zeit und Raum am Ende des Workshops für spontan entstehende Arbeitsgruppen zu bestimmten Themen
  • Namensumbenennung in „Workshop der Archive der sozialen Bewegungen“ statt „Workshop der Archive von unten“

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