1. Workshop "Archive von unten" pdficon_large.gif

Berlin, 6. und 7. Februar 2003
Der Workshop dient dem fachlichen Austausch über die konkrete archivische Arbeit der MitarbeiterInnen von Archiven und Dokumentationsstellen der neuen sozialen Bewegungen. Er soll die Zusammenarbeit untereinander fördern, das Profil der Einrichtungen in der Öffentlichkeit schärfen und ihre Bedeutung für das gesellschaftliche Gedächtnis herausstellen.

ReferentInnen: Jürgen Bacia, Archiv für Alternatives Schrifttum (afas), Duisburg --- Samirah Kenawi, GrauZone, Berlin --- Christoph Becker-Schaum, Archiv Grünes Gedächtnis --- Andreas Kaiser, Archiv Grünes Gedächtnis --- Ursula Nienhaus, FFBIZ, Berlin --- Prof. Dr. Hartwig Walberg, FH Potsdam --- Anne Vechtel, Archiv Grünes Gedächtnis --- Michael Koltan, Archiv Soziale Bewegungen in Baden, Freiburg --- Eva Kuby, Archiv für Alternativkultur, Berlin --- Bernd Hüttner, Archiv der sozialen Bewegungen, Bremen

Inhalt

Erstes Treffen der "Archive von unten" in Berlin. Ein Workshop-Bericht von Anne Vechtel

Berlin, im Mai 2003

Im Herbst 2003 wird die erste Handreichung zur Archivierung von Quellen der Neuen Sozialen Bewegungen als Word-Text ins Netz gestellt. Die Idee zu diesem Projekt wurde beim Workshop "Archive von unten" aus der Taufe gehoben, der Mitte Februar 2003 in Berlin auf Einladung des Archivs Grünes Gedächtnis stattfand.

Gute Handreichungen für die Arbeit in staatlichen, kommunalen Archiven, Kirchen- und Parteiarchiven stehen zur Verfügung. Dagegen sind aber die Archive, Bibliotheken und Dokumentationsstellen der Umwelt-, Friedens-, Frauen- und Anti-AKW-Bewegungen bisher unversorgt. Das Autorinnen- und Autorenteam, das sich beim Workshop zusammenfand, will mit seiner Handreichung diesen Mangel beheben. Es hofft auf rege Nutzung der Handreichung, auf konstruktive Verbesserungsvorschläge und eine intensivere Zusammenarbeit der Bewegungsarchive.

Die Handreichung wird als Nachschlagewerk bibliothekarische wie archivische Begriffe enthalten, darüber hinaus aber auch die Gelegenheit bieten, über das Selbstverständnis der Archive, Bibliotheken und Dokumentationsstellen, ihre Verortung in und Bindung an die jeweilige Bewegung, ihre Perspektiven und Strategien zu diskutieren und nachzudenken.

Die Landschaft der Bewegungsarchive ist bunt, ihre Struktur vielschichtig. Beim Workshop trafen sich Umwelt-, Frauen-, Lesben-, Friedens-, Antifa-, Stadtteilarchive, einige ostdeutsche Bürgerbewegungsarchive sowie Archive der internationalen Solidaritätsbewegung. Eine europäische Note bekam der Workshop durch die Teilnahme des Schweizer Sozialarchivs und des ID-Archivs im Internationalen Institut für Sozialgeschichte aus Amsterdam. Vertreterinnen und Vertreter aus vergleichsweise alten Bewegungsarchiven trafen auf Frauen und Männer ganz neuer, junger Initiativen. Archive mit einer vergleichsweise üppigen finanziellen und personellen Ausstattung waren ebenso vertreten wie mehr oder weniger mittellose. Engagierte mit archivischer Fachkompetenz trafen auf Neueinsteigerinnen und Neueinsteiger.

Hauptanliegen des Workshops war es, über die politischen und strukturellen Grenzen hinweg den Blick für die bunte Archivlandschaft zu öffnen und dabei archivische und bibliothekarische Fachfragen zu erörtern. Auf der Agenda standen u.a. die Fragen nach Zielen, Methoden und Bedingungen bei der Bearbeitung von Schriftgutbeständen von Initiativen und Personen der Neuen Sozialen Bewegungen. Da Bewegungsarchive häufig über große Mengen an Bibliotheksgut verfügen, interessierte in diesen Zusammenhängen besonders die Handhabung der Grauen Literatur und der Zeitschriften.

Blockaden, Friedenscamps, Demonstrationen oder Aktionen der Frauenbewegung wurden und werden von den Beteiligten zumeist fotografisch festgehalten. In den Archiven finden sich bedeutende Fotosammlungen. Wie werden, wie sollten diese Fotos archiviert werden? Welche Software eignet sich für die besonderen Bestände der Bewegungsarchive? Welche ist überhaupt finanzierbar?

Die Aktivitäten von Initiativen und Personen der Neuen Sozialen Bewegungen waren nicht immer legal. Die Bürgerbewegung der ehemaligen DDR ist nur ein Beispiel dafür. Viele Beteiligte leben noch und die Handhabung des Datenschutzes und der Zugänglichkeit des Quellenmaterials hat eine besondere Brisanz.

Wie arbeiten die Archivverbünde zusammen, welche Strategien und Perspektiven diskutieren sie?

Viele Bewegungsarchive gibt es nur, weil Engagierte unentgeltlich für den Erhalt der Sammlungen und Bestände arbeiten. Broterwerb ist die Archivarbeit für sie oft nur zeitweise, wenn einmal wieder Projektmittel eingeworben werden konnten. Häufig sind sie selbst Aktivistinnen und Aktivisten, bringen also den nötigen Stallgeruch und damit das Vertrauen mit, um wichtige Materialien akquirieren zu können. Sie sind als Mittlerinnen und Mittler zwischen Bewegung und Archiv unersetzlich. Die Fachkenntnisse zur sachgerechten Archivierung erarbeiteten sie sich oft mühevoll selbst. Improvisieren steht auf jeder Tagesordnung, fehlt es doch fast immer an Klimatechnik, säurefreien Kartons oder geeigneter Software. Wie kommen die Bewegungsarchive also über die Runden und spielt Fundraising zunehmend eine Rolle? Welcher Stellenwert kommt in diesem Zusammenhang z.B. auch der archivischen Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit zu?

Auf all diese Fragen gab es im Rahmen des Workshops unterschiedliche, ja zum Teil sogar konträre Antworten. Da die politischen Ansprüche, das jeweilige Selbstverständnis, die Sammlungsschwerpunkte und Aktivitäten sowie die lokalen, finanziellen und personellen Bedingungen der Bewegungsarchive sehr unterschiedlich sind, entwickelten sie im Laufe der Jahre natürlich individuelle Archivierungsstrategien. Diese im Detail vorzustellen, zu diskutieren und zu dokumentieren war wichtigste Aufgabe des Workshops. Damit wurde zugleich, so jedenfalls die Hoffnung aller Beteiligten, ein Prozess angestoßen, der einen weiteren fachlichen Austausch ermöglichen soll und mit dazu beiträgt, das Quellenmaterial der Neuen Sozialen Bewegungen so gut, fachgerecht und dauerhaft zu archivieren, dass sie nicht irgendwann aus dem kollektiven Gedächtnis verschwinden.

Einheitliche Archivierungsstandards im Kontext der Existenzbedingungen der Bewegungsarchive sind also fast unmöglich. Dennoch wird die eingangs erwähnte Handreichung dokumentarische und archivische Verfahrensweisen zusammenstellen und zumindest Minimalstandards formulieren. Damit wird ein leicht einsehbares, schnell abrufbares, ständig aktualisierbares und kostengünstiges Nachschlagewerk zur Verfügung stehen.

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Blaue Welt Archiv, Magdeburg. Ein Tagungsbericht

Manchmal fragen wir uns, d.h. wir, die Mitwirkenden im Blaue-Welt-Archiv: Wie alleine stehen wir eigentlich? Welchen Sinn macht unsere Arbeit und wo befinden wir uns auf dem "richtigen" Weg? Natürlich kann man diese Fragen plakativ beantworten. Nein, wir stehen nicht alleine.

Ja, unsere Arbeit macht Sinn, schon allein deswegen, weil wir uns selbst mit den uns wichtigen Themen der Zeitgeschichte befassen. Und doch bleiben da immer ein paar Zweifel und man wünscht sich Konkreteres.

Nun, unserem unbestimmten Wunsch wurde nachgegeben, denn in Berlin fanden sich eine ganze Reihe von Kolleginnen und Kollegen aus der sogenannten freien Archivszene zusammen, um gemeinsam unter dem Motto "Archive von Unten" einen Workshop zu veranstalten. Eingeladen hatte hierzu das Archiv Grünes Gedächtnis der Heinrich-Böll-Stiftung mit Unterstützung der Fachhochschule Potsdam, Fachbereich Informationswesen.

Insgesamt waren ca. 60 ArchivarInnen gekommen, um ca. 32 Archive bzw. andere Einrichtungen aus dem gesamten Bundesgebiet und darüber hinaus (Schweizerisches Sozialarchiv, Zürich und ID-Archiv im internationalen Institut für Sozialgeschichte, Amsterdam) zu vertreten. Allerdings muss bemerkt werden, dass bei weitem nicht alle teilnehmenden Archive dem Anspruch "von Unten" gerecht werden konnten. Doch das spielte auf Grund der interessanten Themenstellungen keine entscheidende Rolle, sondern bereicherte eher die Veranstaltung, da wir (als "Laien") von den professionellen Archivarinnen doch so einige Ratschläge erhalten konnten. Um eine effektive Arbeit zu gewährleisten, wurden verschiedene Arbeitsgruppen zu Themen wie Archivische Bearbeitung, Bibliothek/Graue Literatur/ Zeitschriften, Fotoarchivierung, Datenschutz, Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit, Archivsoftware, Förderung/ Fundraising gebildet.

Es ist klar, dass in diesem Artikel nicht auf alle Ergebnisse der einzelnen Arbeitsgruppen eingegangen werden kann. Statt dessen sei darauf verwiesen, dass voraussichtlich bis Ende des Sommers 2003 eine Handreichung für die ArchivarInnen der Archive der neuen sozialen Bewegungen erscheint, in die die Anregungen des Workshops einfliessen.

Im folgenden soll nur auf die Erkenntnisse eingegangen werden, die sich konkret für die aktuelle Situation bzw. die zukünftige Arbeit des Blaue-Welt-Archiv ergeben. Als erstes wurde ziemlich klar, dass unser Archiv zur Zeit im eigentlichen Sinne gar kein Archiv ist, sondern eher eine Zeitschriften- und Broschürenbibliothek mit Präsenzbestand. Bis auf das im letzten Quartal eingegangene umfangreiche Antifa-Material, besitzen wir kaum eigentliche Archivalien, wie z.B. Dokumente, Fotos, Flugblätter oder Plakate. Zum Vergleich seien hierzu zwei Beispiele angeführt.

Erstes Beispiel ist das Archiv Soziale Bewegungen in Baden mit Sitz in Freiburg, das seit 1983 besteht. Dort liegt der Schwerpunkt der Arbeit in der Archivierung aller Flugblätter und Plakate die entweder direkt aus der Region (Baden) stammen bzw. irgendeinen direkten Bezug dazu haben. Auf Grundlage der gesammelten Materialien können ziemlich exakt lokale Vorgänge bzw. Zusammenhänge bis in die frühen 70er Jahre hinein verfolgt werden, wobei die selbsterstellte, speziell auf dieses Problem zugeschnittene Archivsoftware "Alexandria" von großem Vorteil ist. Da gerade kleine, oftmals auch nur kurzlebige Strömungen der Sozialen Bewegungen kaum in den Printmedien auftauchen erfährt dieses Archiv nicht zuletzt wegen der Einzigartigkeit seiner Bestände immer größeren Zulauf.

In unserem zweiten Beispiel sei auf die Dokumentationsstelle für unkonventionelle Literatur mit Sitz in Stuttgart verwiesen, die bereits seit 1972 existiert. Mal abgesehen von Zeitschriften und Broschüren sind dort 120 000 Flugblätter archiviert von denen ca. 20000 in einer Datenbank erfasst sind. Außerdem beinhaltet die Sammlung noch 25 000 Plakate und 40 Kästen mit Aufklebern, Anstecknadeln, Stickern, Spuckis und Postkarten, die gewissen Sammelschwerpunkten zugeordnet sind.

Zur Relativierung sei hier gesagt, dass derartige Zahlen nur mit staatlicher Förderung zu erreichen sind. Doch darum geht es auch gar nicht, sondern darum, dass klar wird, was alles archiviert und wie es zugänglich gemacht werden kann. Vor allem aber, dass es Sinn macht, auch kleinste Informationen aufzubereiten. Es wird sich in der Zukunft zeigen müssen, inwieweit das Blaue-Welt-Archiv neben seiner bisherigen Funktion als Veranstaltungsort und Zeitschriftenbibliothek hierfür Strukturen schaffen kann. Ein weiteres für uns spannendes Thema war die Diskussion über die Systematik und Verschlagwortung.

Klar würden wir uns wünschen, die Informationen, die in unseren Beständen schlummern, gut verschlagwortet bis auf Artikel ebene anbieten zu können. Doch können wir davon ausgehen, dass wir hierzu weder jetzt noch später die Kapazitäten haben. Doch es zeigte sich, dass es vielen kleineren Archiven ebenso geht, und dass eine gute Systematik mit sogenannten Wundertüten (Ordner, in denen sich verschiedenste Schriften zu einem Thema befinden) ebenfalls sehr sinnvoll ist. Auf der anderen Seite wurde aber auch klar, dass wir keineswegs alle Arbeit alleine durchführen müssen. Es gibt Archivverbünde, wie z.B. die Kooperation der Dritte Welt Archive, die eine sehr große Anzahl von Zeitungen und Zeitschriften pflegen, wobei sowohl die Anschaffung, als auch die Arbeit der Verschlagwortung auf mehrere Schultern verteilt wird. Hierzu lohnt sich übrigens ein Blick in die entsprechende Broschüre "Archiv" (in unserem Archiv zu finden im Ordner B-00), in der eine Liste mit allen Zeitschriften, ihren Standorten, sowie den Zuständigkeiten enthalten ist.

Ebenfalls noch zu erwähnen ist, dass in nächster Zeit vom Archiv der Sozialen Bewegungen Bremen, ein Archivführer erstellt wird. Hierin werden dann praktische Informationen über die wichtigsten Bestände, den Umfang, die Organisationsform und natürlich die Adresse angeboten, was hoffentlich zu einer besseren regionalen wie auch überregionalen Vernetzung führt. Noch unklar (trotz vieler Diskussion) blieb die Art dieses Angebots, d.h. ob in traditioneller Buchform oder auf einem elektronischen Medium veröffentlicht wird. Wie auch immer, wir lassen uns überraschen.

Abschließend soll noch ein Blick aufs Geschehen im Internet geworfen werden. Auch hier war der Stand der einzelnen Archive bzgl. ihrer Präsentation in höchstem Maße inhomogen. Während es Archive gibt, wie z.B. den Infoladen Leipzig, der große Teile seiner Bestände über eine Datenbank im Internet präsentiert, gibt es andere, die weder eine eigene Homepage haben, noch ihre Bestände überhaupt in elektronischer Form (welcher Art auch immer) erschlossen haben. Bezüglich dieser Problematik wurde über die Möglichkeiten zur Einrichtung eines Web-Portals für Archive von Unten diskutiert. Hier wollten sich vor allem die Papiertiger, Berlin mit Unterstützung des Vereins Openisis kümmern. Leider hat sich unseres Wissens bislang da noch nicht viel getan. Allerdings lohnt sich ein Blick auf diese Seiten allemal.

Als Ausblick sei an dieser Stelle gesagt, dass noch kein Archiv vom Himmel gefallen ist. Wir werden uns also weiter bemühen und hoffen dabei auf Eure Mitarbeit oder zumindest auf Euer Interesse. Ausserdem möchten wir noch mal den Veranstaltern danken und hoffen darauf, dass im nächsten Jahr, wie geplant, die Fortsetzung des Workshops stattfinden kann.

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Arbeitsgruppe 1: Archivische Bearbeitung von Beständen von Initiativen und Personen aus den neuen sozialen Bewegungen

Moderation: Samirah Kenawi, Archiv GrauZone; Christoph Becker-Schaum, Archiv Grünes Archiv; Protokoll: Anne Vechtel

Teil 1: Einleitung Christoph Becker-Schaum

Am Anfang jeder Arbeit mit und an Beständen sollte die Frage danach stehen, wie der Zweck des Archivs erfüllt werden kann, welches Ziel die Bearbeitung haben soll. Das Material sollte daraufhin bewertet werden. Die Festlegung der Reihenfolge der Bearbeitung (der Sicherung, Erschließung und Verzeichnungstiefe) sollte sich anschließen. Der Arbeitsablauf ist dann abhängig vom Zustand der Archivalien und natürlich den Konditionen, unter denen die AktengeberInnen ihre Bestände abgegeben haben.

Einleitung Samirah Kenawi:

Frauengeschichte zu sammeln und zu archivieren stellt besondere Anforderungen an die Archivarin, da Frauen oft ein historisches Bewußtsein für die eigene Tat fehlt. Was für die Akquise von Dokumenten ganz besonders mühevoll sein kann. Auch ist die Trennung von Person und politischem Handeln wenig ausgeprägt, so dass politisches und persönliches Handeln vermischt ist und Frauen aus diesen Gründen ihre Materialien nicht so ohne weiteres zur Verfügung stellen wollen. Zu beobachten sind starke Bedenken gegen öffentliche Archive. Archive sind unter diesen Umständen in einer besonderen Verantwortung sowohl gegenüber ihren AktengeberInnen als auch den NutzerInnen. Auf der Grundlage genauer Kenntnisse der Datenschutzvorschriften sollte die Zusammenarbeit geregelt sein.

Vorschläge für Themen von TeilnehmerInnen: Frauengeschichte sammeln, Projekte von Geschichtswerkstätten archivieren, persönliche Nachlässe bzw. Vorlässe, Profilbildung der Archive, Umgang mit Materialmassen, Datenschutz/Verträge

Zu Frauengeschichte sammeln:

Privates und öffentliches Leben spielen zusammen, die Aufgabe der ArchivarInnen ist es, die AktengeberInnen darauf aufmerksam zu machen, dass sich daraus Brisantes für das politische Leben und die Bewegung ergeben kann. Sperrfristen, Datenschutz, Verträge, Vertrauensverhältnis, Verbindlichkeiten müssen vom Archiv geregelt werden. Richtschnur für die Handhabung des Datenschutzes sollte die Frage sein, ob Personen öffentlich gehandelt haben oder nicht, ob Material aus privaten Vertrauensverhältnissen entstanden ist.

Anmerkungen:

Unmöglichkeit, Persönliches von Privatem zu trennen, gilt nicht nur für Frauengeschichte, auch die Bestände der oppositionellen BürgerInnenbewegung in der ehemaligen DDR stellt das Havemann-Archiv vor vergleichbare Probleme.

Die Akquise der Archivalien ist für einige Archive richtige Kärrnerarbeit, für andere wiederum insofern Arbeit, als das Material ohne Ankündigung und Vorbereitung etc. einfach ins Haus schneit und eine fachgerechte Sicherung und Erschließung ganz ohne Unterstützung der AktengeberInnen erfolgen muss. So müssen z.T. der Entstehungszusammenhang des Materials, Angaben zum Inhalt etc. vom Archiv rekonstruiert werden. Einige Archive steuern die Akquise über inhaltliche Projekte, da sie ansonsten im Archivmaterial ersticken würden. Bei der archivischen Arbeit ist es wichtig, die Bestandszusammenhänge zu erhalten, denn das archivierte Material soll ja Aussagen über die Initiative bzw. die Person, über ihr politisches Anliegen, ihre Zusammenhänge, Arbeitsweise, ihre Projekte machen können. Vorschlag: Gründung einer Selbsthilfegruppe zur Bewertung und Erschließung .

Viele Archive von unten sind tatsächlich Bibliotheken, wobei in der Gesamtschau viel Zeit und Energie vergeudet werden, weil doppelt gesammelt wird. Eine Vernetzung sollte unbedingt vorangetrieben werden.

Verantwortung der Archive nicht nur gegenüber AktengeberInnen, sondern auch gegenüber der Wissenschaft, den Medien und politisch Interessierten, kritischer Öffentlichkeit.

Teil 2:

Die Projektarchivierung ist für die Geschichtswerkstätten von großer Bedeutung, wobei ganz andere Materialien anfallen, als sie im Normalfall bei Archiven anfallen. Geschichtswerkstätten stoßen regionale und lokale Projekte an, sind zeitgeschichtlich, tagespolitisch von großer Bedeutung. So entsteht ein Materialmix aus Interviews, Akten und anderen Produkten wie Ausstellungen, Veröffentlichungen etc. Wohin damit, wenn die Materialfülle zu groß wird? Das Material sollte in die Zusammenhänge eingebunden werden, in denen es Bedeutung hat. Kommunen etc. müssen für diese Materialien mit lokalem, regionalem Bezug sensibilisiert werden.

Am Anfang jeder archivischen Aufbereitung sollte die Frage stehen, für wen archiviert wird, also die Frage nach dem NutzerInnenprofil. Wählen wir einen Zugang, der vom Material her vorgegeben wird, d.h. entscheiden wir uns für ein thematisches Nutzungsprofil oder entscheiden wir uns für unsere Klientel und richten die Erschießung an ihr aus?

Anmerkungen:

Diskussion über Archivierungsmotive: Es wird auch aus rein persönlich-politischen Interessen archiviert. Der Anspruch ist die Sicherung der Überlieferung einer politischen Aktion/Bewegung, an der mensch selbst beteiligt war. Die Frage nach der Nutzung spielt zuerst einmal keine Rolle. Zweck und Interesse der freien Archive ist es, die Bewegung heute zu stärken, d.h. die Erfahrungen der Bewegung zu überliefern und heute nutzbar zu machen. Das Selbstverständnis der Archive ist unterschiedlich und hat Bedeutung für die Nutzungsorientierung. Entweder wählen die Archive einen thematischen Zugang bei der Bearbeitung des Archivmaterials, d.h. das Material bestimmt, wie das archivierte Produkt später aussieht oder die Nutzungsinteressen Dritter, d.h. der Klientel stehen im Vordergrund.

Zur finanziellen Situation bleibt festzuhalten, dass die Archive sich ganz unterschiedlich finanzieren. Die meisten über zeitlich befristete Projekte, ein Archiv über einen Verein, der an ein An-Institut einer Fachhochschule angegliedert ist. Allen gemeinsam ist, dass Verzeichnungsarbeiten nicht finanziert werden und zusätzlich erledigt werden müssen. Viele Archive werden "ehrenamtlich" betreut.

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Arbeitsgruppe 2: Bibliothek, Graue Literatur, Zeitschriften

Moderation: Andreas Kaiser, Archiv Grünes Gedächtnis; Protokoll: Katrin Busch, Archiv Grünes Gedächtnis

  • Typologische Fragen: was ist eigentlich Graue Literatur?
  • Inhaltliche Erschließung alternativer Bibliotheksbestände / Grauer Literatur (Thesauri, Systematiken)
  • Datenbanken / Software
  • Personelle Situation, Ausbildung

Angesprochene Problembereiche:

Zu 1.: In der Diskussion wurde deutlich, dass nicht alle Archive die gleiche Vorstellung haben, was als graue Literatur zu betrachten und wie zu katalogisieren, zu erschließen ist. Jedoch wurde von einigen DiskussionsteilnehmerInnen betont, dass diese Entscheidung nicht so wichtig ist und es nur darauf ankommt, eine einmal getroffene Linie in der eigenen Einrichtung konsequent und für die NutzerInnen plausibel einzuhalten.

Zu 2.: Viele Einrichtungen wenden bibliothekarische Regelwerke der formalen und inhaltlichen Erschließung teilweise an bzw. orientieren sich daran (z.B. an der Schlagwortnormdatei, an den Regeln für die alphabetische Katalogisierung (RAK)). Daneben werden aber Schlagwortlisten oder Systematiken an die jeweiligen Bedürfnisse und Besonderheiten einer Spezialbibliothek angepasst, d.h. sehr individuelle und institutseigene Lösungen gefunden. Es wurde ausführlich über Fragen und Probleme der Schlagwortvergabe, des Thesaurusaufbaus und der Systematikerstellung diskutiert. In der Diskussion wurde deutlich, dass hier der Kenntnisstand und die Entwicklung eigener Arbeitsinstrumente in den einzelnen Einrichtungen sehr unterschiedlich sind und großes Interesse besteht, voneinander zu lernen, Probleme zu besprechen und weiterführende Hinweise und Hilfen zu kommunizieren.

Zu 3.: Die Vorstellung der verwendeten Software-Produkte in den einzelnen Archiven ergab ein breites Spektrum an Datenbanken und Programmen. Nach wie vor arbeiten einige Archive mit Software-Programmen der Marke "Eigenbau", meist mit Hilfe von informationswissenschaftlich geschulten MitarbeiterInnen oder Bekannten vor Ort, die die Entwicklung oder Anpassung einer Datenbank an die archiveigenen Erfordernisse vornehmen. Viele Archive arbeiten aber auch mit kommerziellen Produkten, am verbreitesten ist Faust, daneben wurden u.a. auch Star, Bibliotheca 2000, allegro c und augias vorgestellt. Als Auswahlkriterien wurden neben der finanziellen Machbarkeit v.a. die Kompatibilität mit Datenbeständen von Dachorganisationen, in Verbünden, u.ä. genannt. Oft geschah die Auswahl aber auch relativ zufällig. Ein stärkerer Austausch mit (inhaltlich) benachbarten Institutionen auch bei der Software-Auswahl, eine Beratung bei der Entscheidung für ein bestimmtes System, fand bisher nicht statt, wäre aber wünschenswert.

Zu 4.: Mehrere Archive haben bibliothekarisch geschulte MitarbeiterInnen, bei allen ist aber auch personell der Kontakt zur Szene und zur Klientel der Einrichtung wichtig. Die wenigsten Archive verfügen über eine dauerhafte Stellenausstattung, die meisten halten sich mit diversen Projektfördermitteln und arbeitsbeschaffenden Personalmaßnahmen "über Wasser". Die Diskussion der schwierigen finanziellen Situation mündete auch in der bibliothekarischen Runde in die von allen getragene Forderung, stärker gemeinsam und geschlossen gegenüber Geldgebern und in der Öffentlichkeit aufzutreten und die Bedeutung und den Reichtum von alternativen Archiven und Bibliotheken kund zu tun.

Perspektiven - was sollte in einer Handreichung stehen?

Definitionen - Begriffserklärungen: Sowohl für die Beantwortung der Frage, welche Materialien sich in alternativen Archiven und Bibliotheken befinden und wie diese von klassischem Bibliotheksgut abgegrenzt werden können (Typologie Grauer Literatur), als auch für Probleme der Erschließung dieses Materials durch formale Beschreibungen, Schlagwortlisten, Thesauri, etc., wäre es hilfreich, in einer Handreichung eine Zusammenstellung von Definitionen, Glossaren und Erläuterungen der elementaren Fachbegriffe bereit zu stellen (bzw. auf solche Zusammenstellungen zu verweisen).

Beispielsammlungen: Sehr hilfreich kann auch eine Zusammenstellung von Beispielsammlungen im Bereich von Schlagwortlisten, Thesauri, speziellen Systematiken aus unserem Archivspektrum sein. Eine solche Beispielsammlung, möglicherweise versehen mit kurzer Einführung und problemorientierter Erläuterung durch die Einrichtung, die die jeweilige Systematik, etc., angepasst oder entwickelt hat, kann interessierten Archiven und Bibliotheken bei der Auswahl und Zusammenstellung eigener Erschließungsinstrumente helfen und typische Problemfelder aufzeigen. Auch für den Software-Bereich wäre eine Übersicht über in unserem Archivkreis verwendete Datenbanken denkbar, verbunden mit der Möglichkeit, die jeweilige Datenbank zu testen und Erfahrungen der AnwenderInnen für die eigene Auswahlentscheidung zu erhalten. Auch ein Kriterienkatalog zu Archivsoftwareprodukten wäre möglich.

Weiterführende Informationsangaben:

Neben konkreten Beispielsammlungen und problemorientierten Einführungen sollte eine Handreichung weiterführende Literaturangaben zu den oben genannten Problembereichen, aber vielleicht auch zu weiteren Themen, enthalten. Zu den einzelnen Bereichen ließen sich wichtige weiterführende Internet-Links angeben, z.B. zu virtuellen Sammlungen, zu Normdateien, zu den wichtigsten Aus- und Weiterbildungsinstitutionen, etc.

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Arbeitsgruppe 3: Fotoarchivierung

Moderation: Ursula Nienhaus, FFBIZ; Protokoll: Ute Sperrfechter, Archiv Grünes Gedächtnis

I. Wie kommen die Fotos ins Archiv?

  • Zufallsfunde
  • Übergabe/Erbe von Sammlungen von PressefotografInnen
  • Als Teile von anderen Archivalien (z.B. in Nachlässen)
  • ArchivarInnen stellen selber Fotos zur Dokumentation her.
  • ArchivarInnen fordern BürgerInnen auf, Fotos für Projekte zur Verfügung zu stellen. Usw.
  • Zu beachtende Archivregel: Bestände werden je nach Herkunft (Provenienz) als Ganzes behandelt.

II. Wozu werden Fotos überhaupt archiviert?

  • Beispiel 1: Das Gelände des Unternehmens Töpfer und Söhne in Erfurt, welches die Krematorien für Auschwitz geliefert hat. Dokumentation des Geländes über die Fotos, die davon gemacht wurden.
  • Beispiel 2: Dokumentation der Lebensform WG.
  • Bild als eigenständige Informationsquelle
  • Bilder bewahren nichtschriftlich orientierte Teile der Bewegung (Theater, Performances), liefern Zusatzinformationen, die Text nicht leisten kann.
  • Bild als Repräsentationsmöglichkeit der Arbeit des Archivs
  • Bilder sind gut geeignet für die Öffentlichkeitsarbeit des Archivs
  • Vermarktung von Bildern als Produkte des Archivs
  • Aber: Fotos ohne Kontextwissen sind wertlos
  • Zur Archivierung von Fotos gehört möglichst bei deren Erwerb die Erforschung des Hintergrunds und die Ergänzung durch andere Informationsquellen wie Interviews, Flugblätter etc.

III. NutzerInnen

  • NutzerInnen aus der Bewegung
  • Meistens gebührenfreies Überlassen des Materials
  • Presse, kommerzielle VerwerterInnen
  • Bei der Gebührenerhebung Orientierung am berufsständisch offiziellen Gebührenkatalog
  • Nachfrage von rechtlichen Ermittlungsstellen pro und contra Beschuldigte
  • Ermittlungsausschüsse, Anwälte etc.

IV. UrheberInnenrechte / Rechte am eigenen Bild

  • Physisches Eigentum und Nutzungsrechte sind streng auseinanderzuhalten.
  • Bekannte UrheberInnen: Wenn der/die UrheberIn bekannt sind, sollte mit ihnen ein Vertrag abgeschlossen werden über die Nutzungsrechte und die Bearbeitungsrechte des Archivs und Dritter.
  • Unbekannte UrheberInnen: UrheberInnenrechte der FotografInnen: Veröffentlichung der Fotos ist möglich mit dem Verweis auf die/den unbekannten UrheberInnen, der/die sich melden möge.
  • Recht am eigenen Bild der abgebildeten Personen: Bei Privataufnahmen ist die Veröffentlichung fast unmöglich, wenn die Personen nicht um Zustimmung gebeten werden können. Bei öffentlichen Veranstaltungen oder mehr oder weniger öffentlichen Personen ist es einfacher. Weiteres Kriterium ist, ob das Foto schon öfter veröffentlicht wurde, dann ist es unproblematisch.
  • Ehemals kostenlos zu Verfügung gestellte Fotos, für die zu einem späteren Zeitpunkt die Urheberschaft eingefordert wird: Der Forderung ist statt zu geben.
  • Für die Handreichung werden bis Ende September 2003 zur Verfügung gestellt: Vertragsmodelle für Übernahme (Festlegung der Rechte, Kontext des Fotos, Bearbeitungsrechte). Artikel aus der Mailingliste für Archivare zum Thema Fotoarchivierung, Handreichung zu Urheberrecht. Modell der Benutzerordnung des Grünen Gedächtnisses zu Verantwortung des Nutzers für die Rechte Dritter.
  • Ehrenkodex der Bildverwendung

V. Software zur Bildarchivierung

  • Bei Verwendung oder Erstellung von Software ist unbedingt auf das Einhalten allgemeiner internationaler Standards zu achten.
  • Auf Software Updates achten und deren Kompatibilität mit der Vorversion
  • Auf Haltbarkeitsdauer der Trägermaterialien achten.
  • Kosten der Software und Angebot von Verbundnutzung (Alexandria)

Beweggründe

  • Leichtere Verwaltung der eigenen Bestände
  • Benutzung und Bereitstellung zum Druck
  • Auf gängige Dateiformate und normalhohe Auflösung achten (300 dpi).
  • Kosten der Software und Angebot von Verbundnutzung (Alexandria)

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Arbeitsgruppe 4: Datenschutz / Zugänglichkeit im Archiv

Moderation: Hartwig Walberg, FH Potsdam; Protokoll: Tassilo Margraf, Archiv Grünes Gedächtnis

Bewegungsarchive sind keine Behörden, noch verwalten sie behördliches Schriftgut. Daher haben die für staatliche Archive des Bundes und der Länder erlassenen Gesetze für sie nur eingeschränkte Bedeutung. Vor diesem Hintergrund müssen die Bewegungsarchive sich mit dem Spannungsfeld zwischen Datenschutz auf der einen Seite und Informationsfreiheit auf der anderen Seite auseinandersetzen und versuchen auf ihre spezielle Situation zugeschnittene Regeln zu entwickeln.

Probleme ergeben sich vor allem im Umgang mit persönlichen Beständen wie privater Korrespondenz aber auch mit Anwalts-, Gerichts- und Ermittlungsakten, medizinischen Unterlagen sowie etwa Akten Berufsverbote betreffend. Hier gilt es für jeden Einzelfall das zu schützende Recht Dritter und zugleich die Freiheit der Forschung oder das Informationsbedürfnis Einzelner gegeneinander abzuwägen, wobei "soviel Freiheit wie möglich, so viel Schutz wie nötig" als grobe Richtschnur dienen kann. In der Praxis stellen sich so konkrete Fragen wie die Lagerung heiklen Materials oder der Regelungen von Sperrfristen. Gerade weil aber oftmals keine expliziten Regelungen bei Aktenübergabe getroffen wurden und sich die Archive gegenüber juristischen Auseinandersetzungen absichern müssen, besteht durchaus Regelungsbedarf.

Am Beispiel der Sperrfristen war zu erkennen, warum es nicht immer im Interesse der Bewegungsarchive sein kann die gesetzlichen Regelungen der staatlichen Archive einfach zu übernehmen. Die spezifischen Zielsetzungen der Bewegungsarchive vor dem Hintergrund eines politischen Selbstverständnis sind oft nur schwer mit den langen Sperrfristen (bis 30 Jahre nach Tod des Betroffenen) staatlicher Archive zu vereinbaren, da zum einen das Interesse besteht, Akten bestimmten Kreisen eher zugänglich zu machen aber auf der anderen Seite auch ein spezifisches - politisches - Schutzbedürfnis gegenüber betroffenen Dritten bestehen kann. Die Berücksichtigung moralischer Kriterien bei der Entscheidung über die Freigabe von Akten führt vielfach in der Praxis zu Einzelfallentscheidungen, wobei dies mit der Größe des Archivs einen steigenden Koordinierungsaufwand der Mitarbeiter notwendig macht.

Jedoch scheinen in der Praxis erstaunlich wenig Probleme mit dieser Problematik zu bestehen, so daß es eine Problemüberschätzung zu vermeiden gilt. Außerdem lassen sich nur schwer allgemeingültige Regeln für die Benutzung der Akten unter der besonderen Berücksichtigung des Persönlichkeitsschutzes aufstellen, so daß die Archive sich an der groben Richtlinie "soviel Einzelfallentscheidungen wie nötig, soviel allgemein anerkannte Regeln wie möglich" orientieren müssen.

Perspektive: Eine Initiativgruppe könnte beispielhafte Archivordnungen, Depositalverträge usw. sichten und hierauf aufbauend Muster erarbeiten.

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Arbeitsgruppe 5: Archivische Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit

Moderation: Anne Vechtel, Archiv Grünes Gedächtnis; Protokoll: Ute Sperrfechter

Motive für Öffentlichkeitsarbeit/Bildungsarbeit

  • Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit ist Überlebensfrage was Finanzierung / Fundraising, Zielgruppen bzw. deren Erweiterung und Professionalisierung der Arbeit anbelangt
  • Integrietes Konzept: Archiv-Bildung-Politik, z.T direkter Eingriff in aktuelles tagespolitisches Geschehen
  • Erweiterung der Sammlung
  • Austausch zwischen Geber und Archiv über Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit
  • Über Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit Kontakt zur Bevölkerung (Stadtteil, Stadt) und Bezug zu politischen Themen, die anstehen. Bildungsarbeit steht an erster Stelle, Archiv und Bibliothek sind sozusagen ihr Abfallprodukt
  • Konzentration auf Archiv- und Bibliotheksarbeit, Beteiligung an Bildungsveranstaltungen anderer Einrichtungen
  • Öffentlichkeitsarbeit (z.B. Ausstellungen) die einzige Möglichkeit breites Publikum auf Sammlungen aufmerksam zu machen

Probleme

  • Je nach Profilierung des Archivs unterschiedlich sinnvolle Maßnahmen zur Öffentlichkeitsarbeit/Bildungsarbeit. Öffentlichkeitsarbeit/Bildungsarbeit nicht um jeden Preis, der finanzielle und ideelle Wert für das Archiv muss klar erkennbar bleiben.
  • Eine gute Gewichtung zwischen Archivierungstätigkeit und Bildungsarbeit hinzubekommen, ist fast unmöglich, da in vielen Archiven die finanzielle Förderung über Bildungsarbeit/Projekte läuft und die notwendige Archivierungs- und Bibliotheksarbeit offiziell gar nicht finanziert wird, d.h. fast immer nebenher mit erledigt wird. Nur das Grüne Gedächtnis steht vor der "umgekehrten" Situation.
  • In Drittmittelbeschaffung und Projektanträge, die oft nur eine kurze Zeitspanne gelten, muss viel wertvolle Zeit investiert werden, so dass Archivierung zu kurz kommt.
  • Die Zielgruppe für Öffentlichkeitsarbeit/Bildungsarbeit muss genau definiert werden.
  • Pressearbeit zeit- und energieaufwendig, gute Anlässe für Pressepräsenz sind Archivprojekte; Kontaktaufbau und -pflege z.T. politische Überlebensfrage

Was wird gemacht?

  • Kontakt mit den Bewegungen, die archiviert werden / Zeitzeugengespräche / In Kontaktbringen verschiedener Generationen in der Bewegung / Rundbriefe / Zur Verfügung Stellen von Räumen für Sitzungen und Veranstaltungen der Bewegungen, die archiviert werden
  • Ausbildung für ArchivarInnen und MultiplikatorInnen
  • Zusammenarbeit mit Hochschulen und Schulen: Niedrigschwellige Angebote für SchülerInnen, wobei die SchülerInnen vorbereitet sein müssen / Wissenschaftliches Arbeiten für SchülerInnen und StudentInnen, die selbständig arbeiten / Vorbereitete Unterrichtseinheiten zu bestimmten Themen / Anschluss an das Unibibliothekssystem
  • Vorträge
  • Archivführungen
  • Ausstellungen
  • Buchveröffentlichungen
  • Zu den einzelnen Veranstaltungen Reader mit Materialien aus dem Archiv zusammenstellen, die Interesse wecken
  • Eigenständige Pressearbeit. Darauf achten, dass das Archiv selbst und seine Sammlung in den Blickpunkt gerät und nicht nur thematisch zu bestimmten Themen in der Presse erscheint. Gute Pressearbeit läuft über die Projekte, die das Archiv durchführt. Der Umgang mit der Presse muss kritisch bleiben.

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Arbeitsgruppe 6: Präsentation der Archivsoftware Alexandria

Moderation: Michael Koltan, Archiv für Soziale Bewegungen Baden; Protokoll: Christoph Becker-Schaum

Michael Koltan stellte in der ersten halben Stunde der Gruppensitzung die Idee und die Funktionsweise der Software Alexandria vor.

Die Anfänge des Alexandria-Projekts reichen in die erste Hälfte der 90er Jahre zurück.

Drei Ansprüche waren von vornherein mit dem Projekt verbunden, die Michael Koltan mit den Verben - sichern - publizieren - forschen beschreibt.

Außerdem sollte ein verkäufliches Produkt entstehen, das dem Archiv eine gewisse Einnahme verschaffen würde. Mit Alexandria wird eine CD produziert, die man abonnieren kann. Jährlich erscheinen 4 Ausgaben, wobei die zweite, dritte, vierte Ausgabe jeweils eine Fortschreibung ist. Abonnenten sind in der Regel Hochschulinstitute. Das Jahresabo kostet 75,00 €.

Als methodischer Hintergrund ist die Absicht hervorzuheben, die bunte Vielfalt bewegungstypischer Quellen angemessen zu berücksichtigen. So hat das Verfassen von Texten in Bewegungszusammenhängen oft viel weniger Bedeutung als in hierarchischen/traditionellen Organisationen. In diesem Zusammenhang nannte Michael die Bedeutung von Fotos und Videos als Geschichtsquellen sozialer Bewegungen und verwies auf die Rolle, die Radio Dreyeckland für die sozialen Bewegungen in Südbaden gehabt habe. Forderung an eine Archivsoftware für die Archivierung sozialer Bewegungen sei, dass diese Objektarten ihrer Bedeutung gemäß präsentiert würden.

Während die üblichen Archivsoftwareprodukte hierarchisch "dächten", war die formulierte Anforderung an "Alexandria", dass diese Software geeignet sein sollte, den Netzwerkcharakter sozialer Bewegung aufzuzeigen.

Dies alles vorausgeschickt, formulierte Michael Koltan vier Soll-nicht-Bestimmungen. Es sollten - keine kommerziellen Softwareelemente verwendet werden, - keine Beschränkung auf irgendwelche Formate, - keine Erfassung bibliografischer Angaben - und keine Thesaurusverknüpfung stattfinden.

Ich verzichte im folgenden auf alle technischen Angaben über Server, die Datenbank, die Clients und die Software, die ohnehin besser im Zwiegespräch mit Michael erläutert werden können; verschweige auch, dass die technische Qualität der eingebundenen Bilddokumente 300 dpi ist. Die praktische Verwendung der Software hat Michael anschaulich mit der Verzeichnung eines Fotos von der Arbeitsgruppe präsentiert. Dabei wird ein Ereignis, in diesem Fall unser Workshop, mit einem Objekt, hier mit dem besagten Foto, oder einer Mehrzahl Objekte verknüpft. Ereignisse können auch ohne die Verknüpfung mit einem Dokument eingegeben werden und sie können mit anderen Ereignissen verknüpft werden. Ein Dokument muss aber immer auf ein Ereignis bezogen sein. Die "Bedeutung" der Ereignisse wächst sozusagen mit der Dichte der Verknüpfungen. Die Arbeit der ArchivarInnen an der Chronologie der Ereignisse erhält dadurch ihr Gewicht.

An dieser Stelle fand die Aussage, dass kein Thesaurus nötig sei, eine gewisse Einschränkung, da die Freiburger Kollegen mit Hinweis auf ihre regionalpolitische Zielsetzung und Verankerung Ereignisse danach kategorisieren, ob sie lokalen, regionalen oder überregionalen Charakter tragen.

Auf die Frage nach der Archivnutzung war zu erfahren, dass so wie die Abonnenten der CDs Hochschulinstitute sind, es sich bei den ArchivnutzerInnen zu 90% um Studierende handelt. Es schien aber diese starke Orientierung bei einer Vermarktung der CDs durchaus relativierbar zu sein. Das ergab sich aus der Möglichkeit, thematische Sonderausgaben zu produzieren. Ihre CD zum Autonomen Zentrum sei weggegangen wie warme Semmeln.

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Arbeitsgruppe 7: Archivförderung / Fundraising

Moderation: Eva Kuby, Archiv Alternativkultur, Berlin; Protokoll: Robert Camp

Einleitend stellt Eva Kuby verschiedene Wege vor, die teilnehmende Archive beschritten haben: - Beiträge aus (Förder-) Mitgliedschaften Trägerverein / Spenden, - Institutionelle (Kommune u.a.) Förderung in engen Grenzen zur "Grundsicherung", - Förderungen über Maßnahmen aus Mitteln des Arbeitsamts etc. (ABM, SAM), - Projektförderungen von Stiftungen, Ministerien, Kommunen, Länder, - Sponsoring

In einer ersten Runde wurden ergänzend genannt - Förderfonds von Sparkassen, - Kooperation mit finanzkräftigeren Kooperationspartnern bei bestimmten Projekten

Förderung darf keine Einbahnstrasse sein, Geben und Nehmen stehen in Wechselwirkung

Problem bleibt, dass über die meisten Wege entweder zu geringe Beträge zur Verfügung stehen oder die Förderungen an bestimmte, zeitlich und inhaltlich begrenzte Projekte gebunden sind, darüber also die kontinuierliche Arbeit nicht abzusichern ist. Hinzu kommt ein hoher Aufwand für Projektentwicklung und Antragstellung.

Große, etablierte Einrichtungen, staatlich oder nicht, leiden ebenfalls zunehmend unter rigorosen Sparmaßnahmen der öffentlichen Hand, die häufig zu einschneidenden Reduzierungen auch des Arbeitsgebietes führen; diese allgemeine Entwicklung schlägt zusätzlich auf die Möglichkeiten freier Archivarbeit durch. .

Einnahmen durch Gebühren bringen übereinstimmend keine nennenswerten Einnahmen, bergen zugleich das Risiko der Abwehr von InteressentInnen.

Der Einschätzung, auch kleine Archive müssten einen Zweig finanzieller Verwertung ihrer "Produkte" entwickeln (Archiv für soziale Bewegungen in Baden) stand eine Erfahrung gegenüber, dass dies in eine Entwicklung führte, bei der alle Ressourcen darauf verwendet wurden und politischer Anspruch und Arbeit auf der Strecke blieben; zusätzlich verschärfte Form von Selbstausbeutung.

Als realistische Einschätzung wurde angesehen, dass Archivarbeit ohne eigene Aktivitäten im Bereich politischer Bildung (Ausstellung, Führungen, Vortrag etc.) auf geringes Interesse potenzieller Fördereinrichtungen stößt. Die langfristig angelegte Sicherung, Aufbewahrung und Erschließung von Dokumenten ist für sich nicht öffentlichkeitstauglich. Gleichwohl hat sich in den letzten 20 Jahren eine vielfältige unabhängige Archivszene entwickelt und behauptet.

Anregungen:

  • trotz sinkender Chancen auf Projektförderung wäre eine Übersicht möglicher Finanzquellen mit Förderbedingungen hilfreich (Miteinander, Magdeburg, Bernd Hayen)
  • Vorschlag einer Stiftung als Förderinstrument für unabhängige Archive;
  • strategisch: die Vielfalt der freien Archive sollte nach einem gemeinsamen Profil suchen, um sich in der Öffentlichkeit behaupten zu können; die individuelle Arbeit kooperativ darstellen. Ein möglicher Weg dazu: gemeinsames Internet-Portal. Unter dem Dach eines etablierten "Markenzeichens" wäre Fundraising aussichtsreicher.

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Ad hoc Gruppe Archivverbünde

Protokoll: Steffi Rönnefarth, Archiv Grünes Gedächtnis

Einführung:

Roland berichtete über das Projekt des Archivverbundes Archivhochdrei - Kooperation Dritte Welt Archive -, seine Erfahrungen, Vor- und Nachteile sowie Grenzen der Kooperation. Der Archivverbund hat sich auf ein gemeinsames Bibliotheksprogramm geeinigt (Lars2), dass die Möglichkeit bot, verschiedene Eingabemasken für die Archivmitarbeiter und die Nutzer der Archive selbst zu entwickeln. Außerdem hat sich der Archivverbund auf gemeinsame Richtlinien für die Eingabe (wie Nicht-deutsche Autoren-Namen geschrieben werden usw.), ein gemeinsam erstelltes Schlagwortregister, und Datenabgleichzeiträume geeinigt. Damit der Archivverbund einen Nutzen von der Zusammenarbeit hat, wurden die von den Archiven abonnierten Zeitschriften in einen Pool zusammengelegt und nach Kapazitäten zur Verschlagwortung und Erfassung an die einzelnen Archive verteilt. Zur Zeit werden vom Verbund regelmäßig ca. 220 Zeitschriften erfasst und verschlagwortet. Momentan arbeiten 11 Archive in diesem Verbund. Drei bis vier mal jährlich finden Treffen zum Austausch, zur Überarbeitung des gemeinsam benutzten Thesaurus' und zur Anpassung der Bibliotheksmasken statt. Zum Ende eines Monats geben alle Archive ihre neu erfassten Daten an eine Verteilerstelle ab. Diese Stelle, zur Zeit das Archiv in Göttingen, liest die angekommenen Daten ein und erstellt ein update mit allen neuen Daten. Dieses update wird dann wieder an die einzelnen Archive verteilt. Zum Jahresende wird ein Gesamtdatenbestandsabgleich vorgenommen und als CD an alle Archive gegeben.

Zur Zeit arbeitet der Archivverbund an einer internetfähigen Plattform seines Datenbestandes. Von den ca. 130 000 Datensätzen stehen derzeit ca. 7000 in einer Datenbank, in der über eine Suchmaske auf die Daten zugegriffen werden kann. die Adresse lautet: http://www.archiv3.org/

Diskussionsverlauf - Vor- und Nachteile, Grenzen der Kooperation: Zeitschriften und Broschüren innerhalb eines Sammelschwerpunktes werden abgeglichen und nur noch an einer Stelle erfasst und bewahrt. Somit wird redundante Arbeit erspart.

Auf der anderen Seite benötigt man die Kapazitäten für den Abgleich und den Austausch über Aufbewahrung und Abgrenzung. Laut Rolands Aussage ist mit der Anzahl von 11 Archiven die Verbundsarbeit zur Zeit gut zu leisten. Ein größerer Kooperationskreis erfordert allerdings einen höheren Arbeitsaufwand, der nicht mehr so einfach ehrenamtlich zu gewährleisten ist.

Es erfolgte dann noch eine Diskussion über die aufzubewahrende Anzahl von Zeitschriften. Auf der einen Seite ganz klare Abgrenzung, auf der anderen Seite die Frage, ob es nicht sinnvoll wäre, Zeitschriften doch an mindestens zwei Orten aufzubewahren für den Fall eines Feuer- oder Wasserschadens.

Diskutiert wurde auch die Frage eines Anschlusses an die ZDB. Oder ob ein Verbund ausserhalb nicht sinnvoller und weniger arbeitsintensiv wäre. (Stichwort: Beantwortung von Ausleihanfragen). Die Antwort blieb offen.

Klar wurde auch, dass so eine Art Vernetzung nur bei Archiven und Einrichtungen mit gleichem oder ähnlichem Sammelschwerpunkt Sinn macht und dass die Intensität der Kooperation an dem aufzubringendem Arbeitsaufwand und den zur Verfügung stehenden Kapazitäten hängt.

Sinnvoll wäre in dem Zusammenhang auch ein Weiterverweis auf die Bestände anderer Archive. Dafür wären Infos/Verweise, die direkt in der Datenbank vermerkt sind, hilfreich.

Der Infoladen Leipzig hat ein Programm für alle Objekt- und Sammelarten gestrickt (Bücher, Broschüren, Videos, CD-Roms...). Denkbar wäre natürlich auch, dass Archive, die noch am Anfang der PC-Erfassung stehen, selbstgestrickte oder angepasste Programme der anderen Archive einfach übernehmen. Bei denselben Beständen ist ein Übernehmen von Datensätzen möglich.

Internetportal - Projekt und Vision: Immer wieder erwähnt wurde das Internetportal. Angedacht ist es als ein Programm, das man über bestimmte Schnittstellen aus unterschiedlichen Archiven und Archivprogrammen speisen kann. Vision ist hierbei eine virtuelle Verknüpfung von Archiv- und Bibliotheksbeständen bzw. ein Überblick, welche Zeitschriften beispielsweise an welchen Standorten zu finden sind.

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